a) Vorliegen vernünftiger Vermietererwägungen
Die wirtschaftliche Verwertung muss angemessen sein. Der Begriff der Angemessenheit ist im Gesetz nicht erläutert, ergibt sich aber aus den Grundsätzen, die allgemein für die oben dargestellten Grundsätzen eines berechtigten Verwertungsinteresses gelten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Verwertung dann angemessen, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (BGH, Urt. v. 9.2.2011 – VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135). Richtig dürfte es sein, die Wertungsfrage einer angemessen wirtschaftlichen Verwertung nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei sittenwidrige Formen der Verwertung (Umwidmung einer Wohnung in ein Bordell), rechtswidrige Maßnahmen (z.B. Verstoß gegen feuerpolizeiliche Vorschriften) oder wirtschaftlich unsinnige Pläne von vornherein ausscheiden (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 157 m.w.N.).
Merke:
Nach vorzugswürdiger h.M. entfällt das Kündigungsrecht nicht schon deshalb, weil der Eigentümer und Vermieter das Mietobjekt zu einem früheren Zeitpunkt in vermietetem Zustand erworben hat (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 153 m.w.N.).
b) Sonderfall: Abriss eines Gebäudes
Beim besonders praxisrelevanten Fall des Abrisses eines Gebäudes und der Ersetzung des abgerissenen Wohngebäudes durch einen Neubau ist eine angemessene Verwertung gegeben, wenn der Erhalt des bestehenden Gebäudes unrentabel ist und einem Neubau keine Gründe des Denkmalschutzes oder sonstige bauordnungsrechtliche Hindernisse entgegenstehen (LG München I, Urt. v. 17.8.2012 – 14 S 6026/12, ZMR 2013, 198 für den Fall, dass der gegenwärtige Ertragswert des bestehenden Gebäudes 320.000,- EUR beträgt und sich der Ertragswert des Neubaus mit einer Doppelhaushälfte auf 1.130.000,- EUR beläuft; ähnlich auch LG Bonn, Urt. v. 17.10.2013 – 6 S 33/13, ZMR 2014, 284). Kommt – wie regelmäßig – auch eine Sanierung und Modernisierung des Gebäudes als Alternative zum Abriss und Neubau in Betracht, so müssen die Kosten einer Sanierung den Kosten des Abrisses und des Neubaus gegenübergestellt werden, da nur so eine richterlicher Bewertung der Rentabilität erfolgen kann (BGH, Urt. v. 9.2.2011 – VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135; LG Stuttgart, Urt. v. 20.8.2014 – 4 S 2/14, NZM 2014, 165).
Praxistipp:
An die wirtschaftlichen Kosten einer Sanierung im Gegensatz zu einem Abriss mit Neubau sind für die Wirksamkeit der Verwertungskündigung keine überspannten Anforderungen zu stellen, da es hierfür ausreichend ist, wenn sich aus einer Gegenüberstellung der jeweiligen Kosten ergibt, dass die Entscheidung des Vermieters für einen Abriss mit Neubau nachvollziehbar ist und auf vernünftigen Erwägungen beruht. Eine solche vernünftige Erwägung soll z.B. dann vorliegen, wenn für eine Sanierung Kosten zwischen 800 EUR/qm und 1.100 EUR/qm entstehen, während der Abriss mit anschließendem Neubau ca. 2.930 EUR/qm kostet (AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 23.12.2014 – 920 C 171/14, ZMR 2015, 385).