Durch das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019” (BGBl I, S. 2121) ist in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO der Begriff des Beweisantrages erstmals formuliert worden. Erforderlich ist u.a. ein sog. ernsthaftes Verlangen (vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff/Burhoff, Rn 1054 ff.; 1158 ff). Der BGH hat nun entschieden, dass die in seiner Rechtsprechung zur früheren Rechtslage im Hinblick auf die Ablehnung eines „ins Blaue” gestellten Beweisantrags aufgestellten strengen Anforderungen auch für die Neuregelung des Rechts des Beweisantrags gelten (BGH, Beschl. v. 16.3.2021 – 5 StR 35/21, StraFo 2021, 239 = StRR 5/2021, 15; vgl. auch noch BGH, Urt. v. 25.2.2021 – 3 StR 204/20, NStZ 2021, 626, wo der BGH offen gelassen hat, unter welchen Umständen einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlen kann, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt).
Folgender Sachverhalt: Die Hauptverhandlung beim LG lief in dem Verfahren mit verschiedenen Raubvorwürfen seit Dezember 2019. Vom LG war ein vom Verteidiger des Angeklagten am 19. von 22 Hauptverhandlungstagen gestellter Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen G zurückgewiesen worden. Es war beantragt worden, den Zeugen G. zum Beweis der Tatsache zu hören, dass der Angeklagte diesen am 23.10.2018 gegen 22 Uhr in H. getroffen, sich kurz mit ihm unterhalten und ihm von einer Tankstelle eine Schachtel Zigaretten und Kekse bzw. Zwieback nebst Kassenbon mitgebracht habe. Ziel des Antrags war es, den Angeklagten wegen dieses Alibis als Mittäter zweier Überfälle am 23. 10. 2018 gegen 22 Uhr in M. und gegen 23 Uhr in N. auszuschließen. Nach Auffassung des LG hatte es sich bei dem Antrag lediglich um einen nach Amtsermittlungsgrundsätzen zu behandelnden Beweisermittlungsantrag gehandelt, weil die Beweistatsache „aufs Geratewohl” und „ins Blaue hinein” behauptet werde. Der Einkauf an einer Tankstelle sei belanglos und kaum markant. Eine Zuordnung zu einem konkreten Datum aus der Erinnerung sei nach fast zwei Jahren weder dem Angeklagten noch dem Zeugen möglich. Gegen eine – im Beweisantrag behauptete – reale Erinnerung des Angeklagten an das unter Beweis gestellte Geschehen sprächen das späte Vorbringen und der bisherige Verlauf der Beweisaufnahme zu konkreten Alibibehauptungen bezüglich zweier anderer Tatzeitpunkte; die von ihm jeweils dazu benannten drei Zeugen hätten die Alibibehauptungen nicht bestätigen oder sich nicht erinnern können.
Das hat der BGH (Beschl. v. 16.3.2021 – 5 StR 35/21, StraFo 2021, 239 = StRR 5/2021, 15) gehalten. Die Begründung, mit der das LG den auf Beweiserhebung gerichteten Antrag als Beweisermittlungsantrag und nicht als Beweisantrag behandelt habe, stelle sich – so der BGH (a.a.O.) – im Ergebnis als zutreffend dar. Nach ständiger/früherer Rechtsprechung des BGH stelle ein auf Beweiserhebung gerichteter Antrag keinen Beweisantrag im Rechtssinne dar, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung lediglich „aufs Geratewohl” und „ins Blaue hinein” aufgestellt wird, sodass es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. u.a. aus der umfangreichen Rechtsprechung des BGH zuletzt NStZ 2009, 226; 2013, 536, 537; vgl. auch KG, StV 2015, 103; NStZ 2015, 419; OLG Köln NStZ 2008, 584; OLG Bamberg NStZ 2018, 235). Trotz der von weiten Teilen der Literatur (vgl. nur Löwe/Rosenberg/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn 109 ff.; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn 73; Hamm/Pauly, Beweisantragsrecht, 3. Aufl., S. 84 f.; Schneider NStZ 2012, 169, 170) und auch Teilen der Rechtsprechung (vgl. BGH StV 2008, 9; StraFo 2010, 466; NStZ 2011, 169, 170) an dieser Rechtsfigur bereits zuvor geübten gewichtigen Kritik und ungeachtet der während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. Schneider ZRP 2019, 126, 128 f.) und im Rahmen der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages insoweit geäußerten Bedenken (vgl. Mosbacher, Stellungnahme S. 8) habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Beweisantragsrechts durch das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens” v. 10.12.2019 (BGBl I S. 2121) ausdrücklich an der bisherigen Rechtsauffassung festhalten wollen (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747 S. 34). Seinen objektiven Ausdruck habe dieser gesetzgeberische Wille in dem Definitionsmerkmal „ernsthaft” in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO gefunden (vgl. BGH NStZ-RR 2021, 57; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 244 Rn 21d). Diese ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung (vgl. aber auch Claus NStZ 2020, 57, 60; Schäuble NStZ 2020, 377, 381) sei ungeachtet des Umstandes hinzunehmen, dass sich dadurch ein systematisch schwer auflösbarer Widerspruch zur Neuregelung in § 244 Abs. 6 S. 2 StPO ergebe (näher Güntge StraFo 2021, 92, 98; Schäuble NStZ 2020, 377, 381 ...