a) Prozesserklärungen
Tatbestandliche Voraussetzungen für eine übereinstimmende Erledigungssituation sind zwei sich inhaltlich deckende Prozesserklärungen. Der Kläger erklärt aufgrund der Dispositionsmaxime das Verfahren für erledigt. Als Prozesserklärung ist die Erledigungserklärung bedingungsfeindlich. Zulässig sind nur innerprozessuale Bedingungen.
Hinweis:
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung müssen selbstverständlich erfüllt sein (vgl. insoweit: NK-VwGO, 5. a.a.O., § 161 Rn 42 ff.).
Solange sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, kann der Kläger seine Erklärung noch zurücknehmen oder widerrufen (BVerwG, NVwZ-RR 2010, 562). Mit der Rücknahme bzw. dem Widerruf kehrt der Kläger zu seinem ursprünglichen Sachantrag zurück, über den das Verwaltungsgericht dann zu entscheiden hat.
Hinweis:
Ab dem Zeitpunkt einer Anschlusserklärung des Beklagten ist ein Widerruf dagegen nur unter den engen Voraussetzungen des § 173 i.V.m. §§ 578 ff. ZPO möglich oder wenn es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, einen Beteiligten an einer von ihm vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten, etwa weil sie durch Drohung, sittenwidrige Täuschung, unzulässigen Druck und ähnlichem herbeigeführt wurde. In diesem Zusammenhang kann auch eine Rolle spielen, ob der Betroffene durch eine richterliche Belehrung oder Empfehlung zu einer bestimmten prozessualen Erklärung bewogen worden ist (BeckOK VwGO, 66. Ed. 1.7.2023, § 161 Rn 9).
Schließt sich der Beklagte ausdrücklich mittels Prozesserklärung der Erledigungserklärung an, liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor. Nach § 161 Abs. 2 S. 2 VwGO ist der Rechtsstreit in der Hauptsache auch erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist. In diesem Fall wird die notwendige Erklärung des Beklagten fingiert.
Hinweis:
Eine vergleichbare Regelung für die Erledigungserklärung des Klägers gibt es nicht. Ein stillschweigender Übergang zur Erledigungserklärung nach Eintritt einer Erledigung ist dem Prozessrecht fremd und kann nicht unterstellt werden (BeckOK VwGO, a.a.O., § 161 Rn 11).
Maßgeblich und allein ausreichend sind die Erklärungen des Klägers und des Beklagten. Ist beispielsweise ein Dritter infolge einer Beiladung ebenfalls Prozessbeteiligter, führt dies nicht zu dem Erfordernis, dass auch dieser sich der Erledigungserklärung anschließt. Selbst wenn der Beigeladene ausdrücklich den Erklärungen widerspricht, ändert dies an den prozessualen Folgen nichts (BVerwG, NVwZ-RR 1992, 276, 277).
Aus der entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach die Klage bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Urteils zurückgenommen werden kann, folgt, dass die Erledigungserklärungen auch noch nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung bis zum Eintritt der Rechtskraft abgegeben werden können.
Hinweis:
Gibt ein Beteiligter die Erklärung vor dem BVerwG oder dem OVG/VGH ab, muss er grds. gem. § 67 Abs. 4 VwGO vertreten sein. Dies soll nicht gelten, wenn der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Beteiligte eine Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz abgibt. Denn hierfür soll dieser nicht eigens einen Rechtsanwalt bestellen müssen (NK-VwGO, a.a.O., § 161 Rn 56 ff.).
b) Erledigung?
Tatbestandlich muss für die Erklärung des Klägers kein Fall einer objektiven Erledigung vorliegen. Aufgrund der Dispositionsmaxime ist das Gericht an die Erklärungen der Beteiligten auch gebunden, wenn eine materielle Erledigung gar nicht vorliegt (NK-VwGO, a.a.O., § 161 Rn 24).
In Fällen, in denen eine Erledigung aufgrund behördlichen Handelns während eines Verwaltungsprozesses tatsächlich eingetreten ist, bleibt einem Kläger allerdings aus prozessökonomischen Gründen keine andere Möglichkeit als die Abgabe einer Erledigungserklärung, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage (s. Teil 1 in ZAP 2023, 1173, 1176) erfüllt sind.
Beispiel:
Heilt die Behörde während eines Verwaltungsprozesses einen formellen Fehler (§ 45 VwVfG), indem sie bspw. eine bisher unterlassene Anhörung nachholt, oder ergänzt sie in zulässiger Weise nach § 114 S. 2 VwGO ihre bisher unzureichenden Ermessenserwägungen und führt dies dazu, dass die bisher zulässige und begründete Klage keinen Erfolg mehr hat, kann der Kläger hierauf aus ökonomischen Gründen nur mit der Erledigungserklärung reagieren, um einer negativen Kostenfolge zu entgehen. Denn häufig scheidet eine Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage aus, da es an dem besonderen Erfordernis eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses fehlen wird. Hielte der Kläger an seiner Klage fest, würde die Klage mit einer Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Nähme er die Klage zurück, so müsste er die Kosten nach § 155 Abs. 2 VwGO tragen. Nur die (übereinstimmende) Erledigungserklärung eröffnet den Weg, dem ...