Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) bei Arbeitslosigkeit (§ 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) hat gem. § 137 Abs. 1 SGB III, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Wer arbeitslos i.S.v. § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist, bestimmt § 138 Abs. 1 SGB III. Nach Nr. 1 der Norm ist Voraussetzung, dass sich die Betroffenen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis befinden (Beschäftigungslosigkeit). ALG ist zu beantragen (§ 323 Abs. 1 S. 1 SGB III), grundsätzlich gilt „keine Leistung vor Antragstellung” (§ 324 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Seit dem 1.1.2022 bestimmt § 141 Abs. 1 SGB III, dass sich Arbeitslose auch elektronisch im Fachportal der Bundesagentur – nach Maßgabe der Voraussetzungen des neu eingefügten in S. 2 der Vorschrift – oder (wie bis zum 31.12.20211 ausschließlich) persönlich bei der zuständigen AA zu melden haben.
Die Arbeitslosmeldung ist materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von ALG. Vorliegend hatte sich die Klägerin, die bis zum 31.7.2018 in einem Arbeitsverhältnis stand und von Ende Juli 2018 bis zum 28.12.2018 Krankengeld bezog, telefonisch, da die zuständige Dienststelle bereits geschlossen war, am 28.12.2018 (einem Freitag) nach 14 Uhr arbeitslos gemeldet. Dies war nicht ausreichend, um das Erfordernis der persönlichen Meldung zu erfüllen. Sie sprach dann erst am 3.1.2019 (bis einschließlich zum 2.1. war die Dienststelle geschlossen) persönlich bei der AA vor und beantragte ALG auch für den Zeitraum vom 29.12.2018 bis zum 2.1.2019 unter Hinweis auf § 141 Abs. 3 SGB III a.F. (nunmehr § 141 Abs. 2 SGB III). Nach dieser Vorschrift wirkt dann, wenn die zuständige AA am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit nicht dienstbereit war, eine Meldung an dem nächsten Tag, an dem Dienstbereitschaft besteht, auf den Tag zurück, an dem die AA nicht dienstbereit war.
ALG erhielt die Klägerin jedoch erst ab dem 3.1.2019. Im Klageverfahren hob das LSG die erstinstanzlich zugunsten der Klägerin ergangene Entscheidung auf und wies die Klage ab. Die zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich (BSG, Urt. v. 15.2.2023 – B 11 AL 40/21 R, hierzu Jüttner, jurisPR-SozR 20/2023, Anm. 1).
Vorliegend handelte es sich bei dem 29.12.2018 nicht um den ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit i.S.v. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Die Klägerin war nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen bereits seit dem 1.8.2018 – nach dem Ende des bis zum 31.7.2018 bestehenden Arbeitsverhältnisses – durchgehend beschäftigungslos. Das BSG begründet die gleichwohl analoge Anwendung des § 141 Abs. 3 SGB III a.F. auf die vorliegende Konstellation, weil sich insoweit aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, dass eine planwidrige Regelungslücke besteht. Dies wird im Einzelnen in Rn 22–24 der Entscheidung dargelegt.
Soweit der Senat in seiner Entscheidung v. 17.3.2015 (B 11 AL 12/14 R, juris Rn 15), die Rechtsfrage zur Rückwirkung der Arbeitslosmeldung anders beurteilt hat, hält er hieran nicht fest.
ZAP F. 17 R, S. 1201–1224
Von Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg und Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sartorius, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht, Breisach