Hinzuweisen ist zunächst auf eine der vielen Entscheidungen des BGH zur verständigungsbezogenen Mitteilungspflicht des Vorsitzenden (§ 243 Abs. 4 StPO). Es ist deutlich zu erkennen, dass der Schwerpunkt der Rechtsprechung derzeit in diesem Bereich liegt. Entscheidungen zum Inhalt und zu sonstigen Fragen der Verständigung (§ 257c StPO) sind längst nicht so häufig wie solche zur Mitteilungspflicht (zur Mitteilung s. auch Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 228 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]).

In dem vom BGH mit Beschl. v. 10.8.2023 (3 StR 93/23, StRR 11/2023, 17) entschiedenen Fall, hatte das LG den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der Angeklagte hatte dagegen Revision eingelegt und gerügt, der Vorsitzende habe gegen seine Pflicht nach § 243 Abs. 4 S. 2 i.V.m. S. 1 StPO verstoßen, den wesentlichen Inhalt von außerhalb der Hauptverhandlung geführten verständigungsbezogenen Erörterungen mitzuteilen. Die Revision hatte mit dieser Verfahrensrüge Erfolg.

Der BGH (a.a.O.) ist von folgendem Verfahrensgeschehen ausgegangen: Die Hauptverhandlung wurde auf Anregung der Verteidigung am ersten Sitzungstag unterbrochen, um Verständigungsmöglichkeiten zu erörtern. Bei dem Gespräch sagte der Vorsitzende in Anwesenheit der Beisitzerin, der Schöffen, des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der beiden Verteidiger und des Angeklagten sinngemäß, für den Fall eines Geständnisses könne die Strafkammer einen Strafrahmen von fünf Jahren und sechs Monaten bis sechs Jahre und sechs Monate zusagen. Daraufhin erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, er wolle dem genannten Strafrahmen nicht entgegentreten, während die Verteidigung nicht Stellung nahm. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung machte der Vorsitzende Angaben zu dem Gespräch. Die Mitteilung verhielt sich aber nicht zu der Erklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sowie dem Hinweis des Vorsitzenden auf eine etwaige Beihilfestrafbarkeit bei entsprechender geständiger Einlassung. Im nächsten Hauptverhandlungstermin äußerte die Verteidigung, der Angeklagte nehme das Angebot des Gerichts nicht an.

Nach zehn weiteren Sitzungstagen fand auf Anregung der Verteidigung in Unterbrechung der Hauptverhandlung ein weiteres Gespräch statt, das auf die Herbeiführung einer Verständigung gerichtet war. Am darauffolgenden Sitzungstag gab der Vorsitzende bekannt, dass nach dem vorausgegangenen Hauptverhandlungstermin auf Anregung der Verteidigung ein weiteres Gespräch zur Herbeiführung einer verfahrensabkürzenden Absprache zwischen der Strafkammer, den Verteidigern sowie der Staatsanwaltschaft stattgefunden habe und welcher (erhöhte) Strafrahmen dem Angeklagten nunmehr „für ein Geständnis” als „Ergebnis” zugesagt worden sei. Die Mitteilung verhielt sich wiederum nicht zu der Erklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sowie zu den Äußerungen der Beteiligten mit Bezug zu einer etwaigen Beihilfestrafbarkeit. Anschließend wurde der Angeklagte über die Voraussetzungen und Folgen einer möglichen späteren Abweichung des Gerichts von der in den Blick genommenen Verständigung belehrt (§ 257c Abs. 5 StPO). Im nächsten Hauptverhandlungstermin äußerte der Angeklagte, einer solchen verfahrensabkürzenden Absprache nicht zuzustimmen, und ließ sich weiter bestreitend zur Sache ein. Zu einer Verständigung kam es auch in der Folgezeit nicht mehr.

Der BGH (a.a.O.) verweist in seinem das landgerichtliche Urteil aufhebenden Beschluss zunächst darauf, dass der revisionsgerichtlichen Prüfung das vom Angeklagten vorgetragene Verfahrensgeschehen zugrunde zu legen sei. Die behaupteten Vorgänge in der Hauptverhandlung seien insb. durch die Sitzungsniederschrift (§ 274 Abs. 1 StPO) und daneben durch die Urteilsurkunde bewiesen. Dem Revisionsvorbringen zu den außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen stünden weder die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO) noch die – vom BGH im Wege des Freibeweises eingeholten – dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Beisitzerin entgegen. Die dienstlichen Erklärungen seien, was der BGH im Einzelnen ausführt, zumindest als nicht hinreichend substantiiert zu bewerten, um das Revisionsvorbringen zu den außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen in Zweifel ziehen zu können.

Sodann äußert sich der BGH (a.a.O.) (noch einmal) zu Umfang und Reichweite der sich aus § 243 Abs. 4 StPO ergebenden Mitteilungspflicht. Der Vorsitzende habe – so der BGH – bereits deshalb prozessordnungswidrig gehandelt, weil er nach den beiden verständigungsbezogenen Erörterungen jeweils nicht mitgeteilt habe, wie sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dabei erklärt hatte. Nach § 243 Abs. 4 S. 1 StPO sei, um dem Transparenzgebot, dem die Vorschrift diene, gerecht zu werden, nicht nur der Umstand mitzuteilen, dass es Erörterungen mit verständigungsbezogenem Inhalt gegeben habe, sondern auch der...

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