Die dritte Problematik, die derzeit immer wieder eine Rolle spielt, ist die der Zulässigkeit einer sog. konsensualen Umbeiordnung bzw. eines einvernehmlichen Verteidigerwechsels. Dazu hat dann jetzt das LG Mühlhausen im Beschl. v. 19.6.2023 – 3 Qs 92/23, AGS 2023, 379) noch einmal Stellung genommen. Zugrunde lag der in diesen Fällen typische Sachverhalt. Dem Beschuldigten wird mit Beschluss des AG gem. § 140 Abs. 2 StPO ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Der teilt dann einige Zeit später mit, dass ein Kollege ihn gebeten habe, einer Umbeiordnung als Pflichtverteidiger zuzustimmen. Zugleich erklärte der beigeordnete Rechtsanwalt sein Einverständnis mit einer solchen Umbeiordnung. Eine solche Umbeiordnung wird häufig mit der Begründung abgelehnt, dass eine Umbeiordnung gem. § 143a Abs. 1 S. 2 StPO unzulässig sei. Gegen diese Ablehnung ist die sofortige Beschwerde des Beschuldigten zulässig.
Nach Auffassung des LG Mühlhausen ist eine solche Umbeiordnung vorzunehmen. Zutreffend führe das AG im entschiedenen Fall zwar § 143a Abs. 1 S. 2 StPO an, wonach die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht aufzuheben sei, wenn zu besorgen sei, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen werde. Eine derartige Übernahme der Pflichtverteidigung sei damit von Gesetzes wegen ausdrücklich unerwünscht. Mithin soll ein Herausdrängen des bisherigen Pflichtverteidigers über den Weg einer Wahlverteidigung verhindert werden. Dies sei jedoch in den Fällen des sog. konsensualen Verteidigerwechsels, der gerade nicht durch die Vorschrift des § 143a StPO ausgeschlossen werden sollte, nicht der Fall (so etwa BGH, Beschl. v. 13.7.2021 – 2 StR 81/21 und BGH, Beschl. v. 10.8.2023 – StB 49/23, StraFo 2023, 400).
Das LG Mühlhausen führt dann auch noch einmal die Voraussetzungen für einen konsensualen Verteidigerwechsel auf. Ein solcher Wechsel setzt voraus, dass der Beschuldigte und beide Verteidiger mit einem Verteidigerwechsel einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintrete und auch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen (vgl. etwa BGH, jeweils a.a.O.; vgl. aber auch KG, Beschl. v. 28.10.2021 – 3 Ws 276/21).
Hinweis:
Die (kostenneutrale) Umbeiordnung eines Pflichtverteidigers ist also möglich, allerdings muss der neue Pflichtverteidiger auf „Mehrkosten” verzichten. Vor Inkrafttreten der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung war teilweise umstritten, ob eine kostenneutrale Umbeiordnung und ein Verzicht auf Pflichtverteidigergebühren zulässig ist oder nicht (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff, EV, Rn 3540). Dieser Streit hat sich aber nach Inkrafttreten der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung nicht fortgesetzt. Soweit ersichtlich haben alle Gerichte, die sich seitdem mit der Frage befasst haben, die Zulässigkeit bejaht (BGH, a.a.O.; OLG Celle, Beschl. 6.2.2019 – 2 Ws 37/19, AGS 2019, 333 = StraFo 2019, 263; LG Braunschweig, Beschl. v. 3.9.2020 – 4 Qs 180/20, AGS 2021, 112 = StraFo 2020, 514; grds. auch LG Braunschweig, Beschl. v. 22.12.2022 – 4 Qs 371/22, AGS 2023, 188). Das ist im Hinblick auf die zutreffende h.M. zum früheren Recht zutreffend.
Allerdings gilt auch nach neuem Recht das, was das LG Mühlhausen hier noch einmal betont und was auch die vorstehend zitierte Rechtsprechung betont hat: Auch nach neuem Recht kommt eine Umbeiordnung unter der Voraussetzung, dass für die Staatskasse keine Mehrkosten entstehen, nur in Betracht, wenn der neue Pflichtverteidiger ggf. einen Verzicht auf beim alten Pflichtverteidiger bereits entstandene Gebühren erklärt hat. Der Verzicht muss ausdrücklich erklärt werden, eine konkludente Erklärung ist im Hinblick auf die erforderliche Klarheit für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht möglich.