1. „Altersgruppensprung” vom Kinder- in einen Jugendlichentarif
Das OLG Dresden (Beschl. v. 5.3.2024 – 4 U 1811/23) hat entschieden, dass ein tarifinterner „Altersgruppensprung” vom Kinder- in einen Jugendlichentarif keine nach § 8 AVB gesondert zu begründende Beitragsanpassung darstellt. Die Reduzierung eines gewährten Bonus stellt ebenfalls keine Beitragsanpassung nach § 203 VVG dar. Gleiches gilt für eine zeitliche befristete Bonusänderung, nach deren Auslaufen sich der Beitrag erhöht. Bonusänderungen sind keine Beitragsanpassung i.S.v. § 203 Abs. 5 VVG, womit die zugrunde liegende Vertragsregelung in den AVB wirksam ist.
2. Betriebsschließungsversicherung
Wenn in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die Betriebsschließung nur für solche meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger gewährt wird, die in einem Katalog aufgeführt sind und es dazu heißt: „Diese Aufstellung ist vollständig. Sind Krankheiten und Krankheitserreger, die im Infektionsschutzgesetz genannt sind, in den nachfolgenden Aufstellungen nicht enthalten, besteht hierfür im Rahmen dieses Vertrages kein Versicherungsschutz”, ist nach Ansicht des OLG Hamm (Beschl. v. 18.2.2024 – 20 U 17/21) eine behördlich angeordnete Betriebsschließung im Zuge der Covid-19-Pandemie nicht versichert, wenn Covid-19 (Sars-CoV-2) im Katalog nicht aufgeführt ist.
3. Krankentagegeld: Herabsetzung bei gesunkenem Nettoeinkommen
Das OLG Köln (Urt. v. 27.2.2024 – I-9 U 40/23) hat entschieden, dass ein Versicherer nach § 164 Abs. 1 S. 1 VVG berechtigt ist, wenn eine Bestimmung in den AVB durch höchstrichterliche Entscheidung für unwirksam erklärt worden ist, diese Klausel durch eine neue Regelung zu ersetzen, falls dies zur Fortführung des Vertrags notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne die neue Regelung für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die neue Regelung ist gem. § 164 Abs. 1 S. 2 VVG aber nur dann wirksam, wenn sie die Belange der Versicherungsnehmer unter Wahrung des Vertragsziels angemessen berücksichtigt. Insbesondere darf der Versicherungsnehmer durch die ersetzende Klausel nicht schlechter gestellt werden.
4. Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers in Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung (sog. Telematiktarif)
Der BGH hat sich in seinem Urt. v. 12.6.2024 (IV ZR 437/22) erstmalig mit sog. Telematiktarifen befasst. Telematik (zusammengesetzt aus „Tele(kommunikation)” und „(Infor)matik”) umschreibt einen Versicherungstarif, bei dem der Nachweis – die Überwachung – einer gesunden Lebensweise vom Versicherungsunternehmen durch einen Rabatt auf den Versicherungsbeitrag belohnt wird. Durch die Mitgliedschaft in einem Gesundheitsprogramm können Versicherte durch sportliche Aktivitäten oder Arztbesuche Punkte sammeln, wobei die entsprechenden Daten durch eine App erfasst werden. Neben Prämien erlangen Versicherte dadurch einen besonderen Status mit Konsequenzen für die Höhe der zu zahlenden Versicherungsprämie:
Zitat
„§ 20 Wie sind Sie an unseren Überschüssen beteiligt?
(4) Gesundheitsbewusstes Verhalten – Berücksichtigung des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens im Rahmen der Überschussbeteiligung
[UAbs. 6] Sofern wir keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten erhalten, weil [...], wird Ihr Vertrag hinsichtlich dieser Überschüsse für die betroffenen Versicherungsjahre so behandelt, als hätte die versicherte Person sich nicht sonstig gesundheitsbewusst verhalten. [...]
[UAbs. 8] Die Überschussanteile Ihrer Versicherung können steigen, wenn die versicherte Person durch sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten einen entsprechenden [...] Vitality Status erreicht, wodurch der Nettobeitrag sinken kann. Umgekehrt können die Überschussanteile Ihrer Versicherung aber auch sinken, wenn die versicherte Person sich weniger sonstig gesundheitsbewusst verhält und einen diesem Verhalten entsprechenden [...] Vitality Status erhält, wodurch der Nettobeitrag steigen kann. Der Nettobeitrag ergibt sich aus dem um die Überschussanteile reduzierten Betrag. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den von dem [...] Vitality Status abhängigen jährlichen Zu- oder Abnahmen Ihres Nettobeitrages, sowie zu den in jedem Versicherungsjahr geltenden Grenzwerten und Bezugsgrößen finden Sie in unserem jährlichen Geschäftsbericht; diese Werte werden jährlich im Rahmen der Überschussdeklaration neu festgesetzt. [...]”
a) Intransparenz
Die Klausel Unterabs. 8 ist wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, da die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dem Versicherungsnehmer wird nicht hinreichend verdeutlicht, nach welchen Maßstäben eine Modifizierung seiner Überschussbeteiligung – und damit einhergehend mittelbar die Höhe der von ihm zu leistenden Versicherungsprämie – vorgenommen wird. Der Verweis auf den Geschäftsbericht des Versicherers ist unzureichend, weil auch dort keine abstrakten Regelungen zur Modifikation der Überschussbeteiligung enthalten sind. Aus demselben Grund wird die Transparenz der Klausel auch nicht durch die den Versicherungsnehmern übermittelten Informationsschreiben hergestellt.
b) Unangemessene Benachteiligung
Die Klausel Unterabs. 6 ist unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen ...