1. Benachteiligung aufgrund Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen
Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB kann sich nach Ansicht des OLG Stuttgart (Urt. v. 25.4.2024 – 13 U 97/23) auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insb. daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, sodass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung stehen.
2. VOB/B: Pauschale Einbeziehung in Werklieferungsverträge zwischen Unternehmern
Das OLG Oldenburg (Urt. v. 5.3.2024 – 2 U 115/23) hat entschieden, dass eine pauschale Einbeziehung der VOB/B in Werklieferungsverträge zwischen Unternehmern möglich ist. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass das in § 310 Abs. 1 S. 3 BGB niedergelegte Anwendungsprivileg auch für den Fall, dass die VOB/B ohne inhaltliche Abweichung gegenüber einem Unternehmer in den Vertrag einbezogen ist, keine Anwendung findet, soweit sie in einen anderen Vertragstyp als den Werkvertrag einbezogen wurde. Damit ist die Inhaltskontrolle jeder einzelnen Bestimmung der VOB/B eröffnet. Auf diesen Schutz der AGB-Kontrolle kann sich indes allein der Vertragspartner des Verwenders berufen. Der Verwender selbst muss sich auch an von ihm einbezogenen Klauseln festhalten lassen, die einer AGB-Kontrolle im Grunde nicht standhalten würden. Konkret bleibt der Verwender an ihn benachteiligende Klauseln gebunden, während der Vertragspartner sich auf die Unwirksamkeit der ihn unangemessen benachteiligenden Klauseln berufen kann.
3. Vertragsstrafenklausel in Einheitspreisvertrag
Die von einem Auftraggeber in einem Einheitspreisvertrag über Leistungen zur Erschließung einer Vielzahl von Haushalten mit Glasfaserkabeln – für die die VOB/B und die Besonderen Vertragsbedingungen des öffentlichen Auftraggebers (BVB-VOB) gelten sollen – verwendete Vertragsstrafenklausel
Zitat
„2.1 Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung [...] der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen: [...] 0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer [...]
2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt.”
hält nach Ansicht des BGH (Urt. v. 15.2.2024 – VII ZR 42/22 in Fortführung von BGH, Versäumnisurt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01) einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vertragsstrafenklausel in Ziffer 2.1, 2.2 BVB-VOB ist eine AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Die darin enthaltenen Regelungen über die Bezugsgröße der Vertragsstrafe beeinträchtigen bei einem Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
Die Bestimmung über die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Frist für die Vollendung in Ziffer 2.1, 2.2 BVB-VOB ist nach der Vertragsgestaltung eine eigenständige Regelung, die inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für die Überschreitung sonstiger Termine getrennt ist. Als solche kann sie einer eigenen Inhaltskontrolle unterzogen werden.
Die Auslegung des Begriffs der „im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer)” führt nach dem eindeutigen Wortlaut dazu, dass sich die Höhe der Vertragsstrafe nach der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Auftragssumme richtet. Ausgehend von diesem Klauselverständnis ist die Bestimmung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine in AGB des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von mehr als 5 % der Auftragssumme bei Überschreiten des Fertigstellungstermins vorsieht. Dies knüpft maßgeblich an die mit der Strafe verfolgte Druckfunktion an, den Auftragnehmer zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner Leistungen anzuhalten. Zugleich soll sie den Auftraggeber in den Stand setzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten jedenfalls bis zu...