Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie – abgesehen von stationärer Behandlung – infolge Krankheit arbeitsunfähig sind. Ob und in welchem Umfang Krankengeld beansprucht werden kann, folgt aus dem Versicherungsverhältnis, das zum Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld besteht. § 46 S. 1 SGB V knüpft den Beginn des Anspruchs (außerhalb stationärer Behandlung) an den, auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag.
Die durch die Beschäftigten-Versicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) begründete Mitgliedschaft endet nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190 Abs. 2 SGB V), sondern besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort, nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a., solange Anspruch auf Krankengeld besteht. Damit verweist § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt, was für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bedeutet, dass sie am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages – und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages (§ 46 S. 1, 2. Alternative SGB V) – einen Krankengeldanspruch entstehen lassen (vgl. bereits eingehend BSG, Urt. v. 10.5.2012 – B 1 KR 19/11 R, hierzu Bubeck/Sartorius ZAP F. 18, S. 1267 ff., 1274 f.).
Das BSG hat durch Urteil vom 4.3.2014 (B 1 KR 17/13 R) diese Rechtsprechung fortgeführt für den Fall des Ausstellens von ärztlichen Folgebescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung, ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigungsversicherung ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankenbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird. Bei späterer Feststellung kann sich ein Versicherungspflichtverhältnis mit Krankengeldberechtigung zwar aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V – Arbeitslosengeldbezug – ergeben, wenn für diesen die Voraussetzungen vorliegen. In diesem Fall bestimmt sich aber die Höhe des Krankengeldes nicht mehr nach dem Arbeitsentgelt (§ 47 SGB V), sondern wird "nur" in Höhe des Betrags des Arbeitslosengeld bezahlt (§ 47 b Abs. 1 SGB V).
Das BSG hält dieses Ergebnis auch dann aufrecht, wenn der letzte Tag der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einen Sonntag fällt. Das Gericht mutet es den Versicherten zu, an dem vorausgehenden Werktag, an dem die Praxis geöffnet ist, die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit vorzunehmen oder ggf. den hausärztlichen Notdienst in Anspruch zu nehmen. Falls der Arzt in diesem Zusammenhang unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben haben sollte, beständen ggf. Schadensersatzansprüche gegen diesen, nicht aber ein Krankengeldanspruch gegen die Krankenkasse. Die Entscheidung hat Kritik erfahren (s. etwa Knispel, NZS 2014, 561). Die Instanzrechtsprechung hat oft anders entschieden. Das BSG hält gleichwohl an dem eingeschlagenen Weg fest (vgl. BSG 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R, Pressemitteilung).
Hinweis:
Das BSG knüpft mit dieser Entscheidung (die in gleicher Weise anwendar sein dürfte, wenn es sich bei dem letzten Tag der zunächst festgestellten AU um einen Feiertag, einen Samstag oder einen anderen Tag handelt, an dem die Praxis, etwa wegen Urlaubs, geschlossen ist) an seine bisherige Rechtsprechung an und lässt – anders als die Praxis mancher Krankenkasse und als oft die Instanz-Rechtsprechung – zu Gunsten der Versicherten keine Ausnahme von den aufgestellten rechtlichen Grundsätzen zu. Etwas anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn ein Fehlverhalten der Krankenkasse zu der verspäteten AU-Bescheinigung beigetragen hat (vgl. etwa BSG 8.11.2005, B 1 KR 30/04 R).
Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Beschäftigter (s. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) beginnt mit dem Tag des Eintrittes in das Beschäftigungsverhältnis, § 186 Abs. 1 SGB V. Bisher hatte es das BSG offengelassen, ob es für dieses Tatbestandsmerkmal bei Bestehen von AU ausreicht, dass ein Anspruch auf Arbeitsentgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme entsteht. Es bejaht diese Frage nunmehr (BSG, Urt. v. 4.3.2014 – B 1 KR 64/12): Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis wird in Vollzug gesetzt, entweder durch tatsächliche Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung, oder wenn trotz Nichtaufnahme ein Anspruch auf Arbeitsentgelt erworben wird, etwa bei Freistellung oder nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz wegen AU. Nicht genügend ist, der bloße Abschluss eines Arbeitsvertrags und der Eintritt des dort geregelten kalendermäßigen Beginns ohne Begründung eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt.
Autoren: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach und Richter am Arb...