Gerichtsbestimmungen gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO enthalten – wegen der grundsätzlich angenommenen Bindungswirkung gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO – i.d.R keine positiven Aussagen, was eine "Kartellsache" ist, sondern nur dazu, wann der Rekurs auf § 87 S. 1 GWB "willkürlich" war. Stattdessen ist ein eigenartiger Kompetenzkonflikt auf der Ebene der bestimmenden Gerichte zu verzeichnen. Das OLG Celle (Beschl. v. 1.6.2010 – 13 AR 2/10; v. 1.10.2010 – 13 AR 5/10 (Kart) und v. 23.12.2010 – 13 AR 9/10; ebenso OLG München, Beschl. v. 15.5.2009 – AR 7/09) sieht den Kartellsenat des OLG als für die Entscheidung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zuständig an. Denn § 91 GWB erstrecke sich auch auf Fragen der Zuständigkeitsbestimmung. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 1.6.2011 – W (Kart) 1/11) verneint hingegen eine § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO verdrängende Sonderzuständigkeit der Kartellgerichte für die gerichtliche Zuständigkeit bei negativen Kompetenzkonflikten. Dazu folgendes Beispiel.
Beispiel:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten mit der beim Landgericht S eingereichten Klage Schadensersatz wegen irreführender Kapitalmarktinformationen (Presseerklärung). Das Landgericht S erklärt sich wegen § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO für örtlich unzuständig und verweist an das Landgericht B. Dort beruft sich die Klägerin darauf, dass die Beklagte auch eine marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen das Kartellverbot verstoßen habe. Nach Hinweis auf die §§ 87, 89 GWB beantragt die Klägerin Verweisung an die Kartellkammer des Landgerichts F, hilfsweise an die Kartellkammer des Landgerichts H und wiederum hilfsweise an die Kartellkammer des Landgerichts B. Das Landgericht B verweist auf den ersten Hilfsantrag hin an die Kartellkammer des Landgerichts H (Konzentrationsgericht). Das Landgericht H legt zur Gerichtsbestimmung vor, wird indessen als zuständiges Gericht bestimmt.
Würde sich die Zivilkammer des Landgerichts B mit der Kartellkammer des Landgerichts B darum streiten, ob eine Kartellsache vorliegt, wäre der Streit – wie für Kompetenzkonflikte zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen ausgetragen – von dem im Rechtszug höheren Oberlandesgericht B zu entscheiden. Hingegen läge die Bestimmungskompetenz beim im Rechtszug höheren Oberlandesgericht C, käme es zu einem solchen Konflikt innerhalb des Landgerichts H. Streiten zwei Landgerichte aus verschiedenen Oberlandesgerichten eines Bundeslandes darum, welche Konzentrationsbestimmung des Landes maßgeblich ist, liegt ein Fall des § 36 Abs. 2 ZPO vor. Die Frage ist, ob das Bestimmungsrecht deshalb beim Oberlandesgericht S liegt, weil die Klage beim Landgericht S eingereicht worden ist. Das wird vom OLG Braunschweig (Beschl. v. 29.10.2013 – 1 W 42/13) deshalb verneint, weil sowohl das Landgericht B als auch das Landgericht H den Ausspruch der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts S hingenommen hätten. Das ist sachgerecht, weil Konzentrationsbestimmungen an den Ort, an dem das gerichtliche Verfahren stattfinden soll, anknüpfen und nach Land abhängig davon, welche Gerichte dieses eingerichtet hat, unterschiedlich sein können. LG Braunschweig (Beschl. v. 19.6.2013 – 5 O 552/12) bejaht auch zu Recht die Möglichkeit, weiter zu verweisen, wenn das zuerst angerufene Gericht lediglich seine örtliche Unzuständigkeit festgestellt habe. Allerdings wird bei den Oberlandesgerichten (zumindest) ein Kartellsenat gebildet, § 91 S. 1 GWB. Dieser entscheidet indessen nur über die ihm gemäß Satz 2 der Vorschrift zugewiesenen Rechtssachen sowie über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87 Abs. 1 GWB. Dazu zählt nicht die Gerichtsbestimmung. Es besteht auch kein Anlass, hier eine "Gesetzeslücke" zu vermuten, die durch "Analogie" geschlossen werden könnte (so mit ausführlicher und überzeugender Begründung OLG Düsseldorf – Beschl. v. 1.6.2011, W (Kart) 1/11).
Hinweis:
Ob eine Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 87 S. 1 GWB die Anwendung des GWB betrifft, lässt sich von im Rechtszug höheren Gericht kaum mit Sicherheit beurteilen. Unabhängig davon, ob Gerichtsbestimmungen von einem Kartellsenat oder von einem anderen Senat eines Oberlandesgerichts getroffen worden sind, beschränken sie sich deshalb i.d.R darauf, willkürlichen Unterstellungen einer solchen Anwendung in Streitigkeiten um die Vergütung für die Lieferung von Energie die Bindungswirkung zu nehmen (über die bereits genannten Entscheidungen hinaus z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2010 – W (Kart) 8/10; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.6.2011 – 1 AR 42/11 – Erstgericht jeweils ein Amtsgericht).