a) Grundsatz des BVerfG
Das BVerfG (BVerfGE 133, 168 Rn 97. 98 = NJW 2013, 1058 = StRR 2013, 179 [Deutscher]) hat erklärt, bei Verstößen gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten könne ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß mit Blick auf die Möglichkeit gesetzeswidriger informeller Absprachen nur in besonderen Fällen ausgeschlossen werden. Zuvor hatte der BGH (NStZ 2011, 592, 593 = StV 2011, 202 m. Anm. Schlothauer = StRR 2011, 194 [Burhoff]) die Ansicht vertreten, eine unwiderlegbare Vermutung, wonach bei einer Verletzung des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO eine Beeinflussung des Urteilsspruchs dadurch nie ausgeschlossen werden kann, bestehe nicht. Nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG haben die Senate des BGH sich dessen jedenfalls rhetorischer Vorgabe angeschlossen: Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht sei regelmäßig von einem Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler auszugehen (BGH NStZ 2014, 416; NJW 2015, 645 m. Anm. Leitmeier = StRR 2015, 142 [Deutscher]). Das ist etwa der Fall, wenn der schweigende Angeklagte sich im letzten Wort für die Tat entschuldigt und es nicht mitgeteilte verständigungsbezogene Gespräche, wenn auch ohne Ergebnis, zwischen den Beteiligten gegeben hatte (BGH NStZ 2015, 178). Insbesondere spricht es für ein Beruhen, wenn die erforderliche Mitteilung über verständigungsbezogene Gespräche überhaupt nicht erfolgt ist (BGH NStZ 2015, 232 = StRR 2015, 140 [Burhoff]; NStZ 2015, 353 m. Anm. Feldmann; Beschl. v. 16.9.2015, 5 StR 364/15).
b) Erste Ausnahmen des BGH
Eine Ausnahme hiervon wird allerdings gemacht, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keine verständigungsbezogenen Gespräche gegeben hat (BGH NJW 2015, 1260 m. Anm. Magnus; NStZ 2015, 232 = StRR 2015, 140 [Burhoff]). Eine weitere Ausnahme hat der BGH anerkannt, wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger vollumfänglich über den Inhalt der Verständigungsgespräche unterrichtet wurde (BGH NStZ 2015, 537 = StRR 2015, 226 [Deutscher]), was insbesondere bei rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fällen vorliegen kann (BGH NJW 2015, 645 m. Anm. Leitmeier = StRR 2015, 142 [Deutscher]) und sich erst danach zur Sache eingelassen hat (BGH NStZ 2014, 418 = StRR 2014, 300 [Grube]), er trotz fehlender Mitteilung weiterhin von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und keinerlei Verständigungsbereitschaft erkennen lässt (BGH NStZ-RR 2015, 315) oder weiterhin die Tatbegehung bestreitet (BGH NStZ 2015, 224 [Deutscher]).
c) Reaktion des BVerfG
Als Reaktion auf diese Versuche des BGH, Ausnahmefälle zu schaffen, hat das BVerfG in mehreren Kammerentscheidungen die Anforderungen an die Beruhensprüfung konkretisiert und verschärft. Schon in dem Beschl. v. 25.8.2014 zum Zeitpunkt der Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO (NJW 2014, 3506 = NStZ 2014, 721; Bespr. Deutscher StRR 2014, 411) wurde einer generalisierenden, vom Einzelfall losgelösten Prüfung eine Absage erteilt. Es müssten konkrete Feststellungen dazu getroffen werden, dass der Angeklagte das Geständnis unter Einwirkung seines Verteidigers auch ohne den Belehrungsverstoß abgelegt hätte. In den Beschlüssen vom 15.1.2015 (NJW 2015, 1235 = NStZ 2015, 170; und NStZ 2015, 172 m. Anm. Knauer/Pretsch, Bespr. Deutscher StRR 2015, 88) stellt das BVerfG darauf ab, dass die Mitteilungspflicht nicht nur die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten schützen soll, sondern auch die Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit. Diesen Aspekt verkenne der BGH, wenn er bei der einschlägigen Beruhensprüfung lediglich auf die Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten abstellt. Dieser Schutzgehalt müsse bei der Beruhensprüfung Berücksichtigung finden. Das BVerfG hat in jenen Beschlüssen die Entscheidung des BGH (NStZ 2014, 221, 223 = StRR 2014, 99 [Deutscher]) gehalten, die Entscheidung des BGH (NStZ-RR 2014, 315) hingegen aufgehoben (abl. zur Einbeziehung der nicht unmittelbar dem Schutz des revidierenden Angeklagten dienenden potentiellen Öffentlichkeit in die Beruhensprüfung Deutscher StRR 2015, 88, 90; ähnl. Walther NStZ 2015, 383 und Niemöller NStZ 2015, 489).
d) Neue Ausnahmen des BGH
Der BGH bezieht nunmehr als Konsequenz dieser Vorgabe auch den Aspekt der Öffentlichkeit in die Beruhensprüfung mit ein. Ausgangspunkt ist eine "wertende Gesamtbetrachtung" (BGH NJW 2015, 645 m. Anm. Leitmeier = StRR 2015, 142 [Deutscher]), bei der der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht in einem milderen Licht erscheinen kann. Ein Beruhen soll dabei selbst bei völligem Unterbleiben der Mitteilung ausgeschlossen sein, wenn die Initiative für die Gespräche vom Gericht in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgt ist (BGH NStZ 2015, 537 = StRR 2015, 226 [Deutscher]), der gerichtliche Vergleichsvorschlag dort genannt wird (BGH NStZ 2015, 353 = StRR 2015, 224 [Deutscher]) oder nur das Ergebnis der Gespräche mitgeteilt wird (BGH, Beschl. v. 5.8.2015 – 5 StR 255/15). Dies gilt auch für spät erfolgte Mitteilungen nach § 243 Abs. 4 S. 2 StPO (BGH, Beschl. v. 11.6.2015 – 1 StR 590/14). In dem BGH-Beschl. v. 25.2.2015 (NStZ 2015, 353 = StRR 2015, 224 [Deutscher]) wird in diesem Zusammenhang sogar im Rahmen...