Das BAG hat mit Urteil vom 27.1.2016 (5 AZR 277/14, ZAP EN-Nr. 615/2016 = NZA 2016, 679; auch 278/14 und 279/14) in drei Fällen zu einer Verfallklausel und deren Teilbarkeit entschieden. Dabei setzt das BAG, im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, seine Rechtsprechung fort, indem es bei einer Verfallklausel, welche sprachlich verschränkt ist, jedoch inhaltlich trennbare Ausschlussfristenregelungen für verschiedene Arten von Ansprüchen enthält, zwar einen Teil für unwirksam erklärt, jedoch den Vertragstext des unwirksamen Teils der Klausel zur Auslegung der verbleibenden Regelung heranzieht.
Der klagende Arbeitnehmer forderte von dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des "Equal Pay" rückwirkend für einen Zeitraum von drei Jahren. Der maßgebliche Arbeitsvertrag enthält eine Verfallklausel, welche in der ersten Stufe wie folgt lautet: "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen wie folgt geltend gemacht werden: Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Abrechnung des Zeitraums, bei dem sie hätten abgerechnet werden müssen; alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit."
Der Arbeitnehmer hat unstreitig die Frist nicht eingehalten. Die Regelung zur Geltendmachung von Ansprüchen auf "Zuschläge aller Art" ist aufgrund unangemessen kurzer Frist unwirksam. Das BAG hatte zu entscheiden, ob der verbleibende Rest der Klausel wirksam bleibt und dies bejaht, weil zwar die erste Stufe der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen ihrer Kürze den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist (weniger als drei Monate). Doch ist die Klausel teilbar, selbst wenn der verbleibende Teil sprachlich mit dem unwirksamen Teil verschränkt ist. Eine Ausschlussfristenregelung für alle Ansprüche, die nicht auf Zuschläge gerichtet sind, enthält auch dann eine eigenständige sinnvolle Regelung, wenn durch das Streichen des unwirksamen Teils der verbleibende Teil auslegungsbedürftig wird. Dadurch ändert sich nichts an der inhaltlichen Eigenständigkeit der verbleibenden Regelung. Dann ist zu prüfen, ob die nach Auslegung eigenständig verbliebene Regelung transparent und für den Arbeitnehmer klar ist, welche Rechtsfolgen die Regelung beinhaltet bzw. was er tun muss, um diese Rechtsfolgen zu verhindern. Im Rahmen der Auslegung kann der unwirksame Teil der Klausel weiterhin herangezogen werden. Er verschwinde nicht unter dem Strich des "blue pencils".
Hinweise:
- Eine Verfallklausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn ihm zur Geltendmachung (hier: Geltendmachung von Zuschlägen) nicht eine Mindestfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs verbleibt.
- Das BAG gibt seine ständige Rechtsprechung wieder: Danach bedingt die Unwirksamkeit der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen nicht die Unwirksamkeit der – den Anforderungen des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB genügenden – Frist zur Geltendmachung aller übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, weil die Klausel teilbar ist.
- Maßstab für die Teilbarkeit einer inhaltlich trennbaren, nur formal in einer Klausel verbundenen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist der "blaue Bleistift" (blue pencil), maßgeblich ist dabei die inhaltliche Teilbarkeit (BAG 13.11.2013 – 10 AZR 848/12 – Rn 27, BAGE 146, 284).
- Klargestellt ist nun, dass für die Auslegung einer teilbaren Klausel auch der an sich mit dem "blauen Bleistift" (weg)gestrichene, unwirksame Teil herangezogen werden kann. Der Senat führt wörtlich aus: "Er verschwinde nicht unter dem Strich des ‚blue pencils‘. Der Maßstab ist die Transparenzkontrolle. Der Verwender darf sich keine Spielräume vorbehalten."