Zusammenfassung
Leitsatz des Bearbeiters:
Ein GmbH-Gesellschafter darf einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Anwalt in der Gesellschafterversammlung auch ohne entsprechende Satzungsregelung als Berater/Beistand hinzuziehen (und dies notfalls auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen), wenn sein Beratungsinteresse unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, der Struktur der Gesellschaft und der Bedeutung des Beschlussgegenstands das Interesse der übrigen Gesellschafter, "unter sich" zu bleiben, überwiegt.
OLG Dresden, Urt. v. 25.8.2016 – 8 U 347/16, ZAP EN-Nr. 61/2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss
I Problemstellung
Tiefgreifende Zerwürfnisse zwischen Gesellschaftern sind für den in der gesellschaftsrechtlichen Betreuung personalistisch geprägter (Familien-)Gesellschaften tätigen Anwalt kein selten auftretendes Phänomen. Häufig stellt sich für ihn bereits im Vorfeld einer absehbaren gerichtlichen Konfrontation die Frage, ob er seinen Mandanten, der sich zur Beurteilung der konkret zur Lösung der Konfliktlage in der Gesellschafterversammlung anstehenden Entscheidung ggf. bereits mit Blick auf seine persönlichen Verhältnisse und Fähigkeiten nicht imstande sieht, schon unter dem Aspekt der prozesstaktischen Beweisvorsorge dorthin begleiten sollte. Andererseits könnte seine Präsenz u.U. neues Potenzial für eine Auseinandersetzung bieten und damit eine weitere, unnötige Eskalation heraufbeschwören, wenn jetzt auch die anderen (Mit-)Gesellschafter auf Hinzuziehung ihres Vertrauten/Anwalts bestehen sollten und damit aus der Gesellschafter- eine so vom Gesetz nicht vorgesehene "Anwaltsversammlung" (so wörtlich: OLG Naumburg, Urt. v. 25.1.1996 – 2 U 31/95, GmbHR 1996, 934 f.) machen. Diese Problematik, die sich für den Anwalt mit vergleichbarer Brisanz auch für WEG-Eigentümerversammlungen stellt (vgl. Drasdo NZM 2015, 360 ff.), ist zwar nicht neu (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2001 – 17 W 42/01, MDR 2001, 1305) – eine praxisnahe und dazu auch handhabbare rechtssichere Lösung ist aber noch nicht gefunden, was vorliegende Entscheidung bestätigt.
II. Sachverhalt
Nach dem dort zur Entscheidung gestellten (hier stark verkürzten) Sachverhalt bestanden zwischen den Gesellschaftern der beklagten GmbH schon länger gravierende Auseinandersetzungen, in deren Verlauf schließlich der Geschäftsanteil des klagenden (Minderheits-)Gesellschafters zwangsweise wegen geschäftsschädigenden Verhaltens eingezogen werden sollte. Gegen den die Zwangseinziehung/-abtretung begründenden Gesellschafterbeschluss vom Juni 2014 sowie dessen gesonderte Bestätigung vom Februar 2005 hat der betroffene Gesellschafter jeweils Anfechtungsklage erhoben (über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist) und parallel dazu eine entsprechende vorläufige Verfügung erwirkt, welche die beklagte GmbH zur Zulassung der Teilnahme eines anwaltlichen Vertreters an den künftigen Gesellschafterversammlungen verpflichtete. Anlässlich der für Mai 2015 anberaumten Gesellschafterversammlung, die allein die Beschlussfassung über die Zwangseinziehung des klägerischen Geschäftsanteils zum Gegenstand haben sollte, teilte die GmbH dem Kläger auf dessen Teilnahmeankündigung hin per Anwaltsschreiben mit, dass für sie der dort namentlich benannte Anwalt wegen dessen vorangegangenem, unlauteren Prozessverhaltens im Gesellschafterstreit unzumutbar sei und er deshalb weder als Vertreter noch als Begleiter des Gesellschafters zur Versammlung zugelassen werde. Das daraufhin angerufene Landgericht ordnete gleichwohl die einstweilige Teilnahmezulassung an. Dem stimmte auch das OLG Dresden zu.
III Entscheidung
Während der Senat eingangs seiner Begründung zunächst in prozessualer Hinsicht eine originäre funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen mangels entsprechender Anträge der Verfahrensbeteiligten, Zuständigkeitsrügen oder Schutzschriften reichten hierfür nicht aus, ablehnte und auch die Passivlegitimation der beklagten GmbH – und nicht wie im Fall des OLG Düsseldorf (a.a.O.) deren Mehrheitsgesellschafter – unter Hinweis darauf nicht beanstandete, dass es die Gesellschaft selbst war, die mittels anwaltlichen Schreibens das klägerische Teilnahmeverlangen wegen angeblicher Ausschlussgründe des Anwalts als unzumutbar zurückgewiesen und dadurch ihre Inanspruchnahme durch den Kläger erst veranlasst hatte, hob das OLG sodann in materieller Hinsicht die besonderen Funktionen und die Bedeutung des Teilnahmerechts eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung als dem zentralen Willensbildungsorgan in der GmbH hervor und ordnete dieses dem Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafters zu. Ob letzterem dabei in Bezug auf den angekündigten Beschlussgegenstand ein Stimmrecht zustehe oder er von einer Stimmabgabe – wie bei Einziehung seines Geschäftsanteils – ausgeschlossen ist, sei seiner Ansicht nach unbeachtlich. Entscheidend sei vielmehr, dass ein Teilnahmerecht den mitgliedschaftlichen Anspruch des Gesellschafters auf Anhörung und Stellungnahme sichere und er deshalb auc...