Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst sich nach allen eheprägenden Einkünften und Belastungen der Ehegatten, die den Lebensverhältnissen der Ehegatten „ihren Stempel aufgedrückt“ haben. Er orientiert sich daher in erster Linie an den Einkommen beider Eheleute, die während der Ehe erzielt worden sind und die Lebensverhältnisse geprägt haben. Zur Bedarfsbemessung gehören aber auch eheprägende Belastungen z.B. durch unterhaltsberechtigte Kinder und Schulden. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung (BGH FamRZ 1984, 657; OLG Hamm FamRZ 2017, 38).
Damit wirken sich auch Veränderungen während der Trennungszeit noch auf den Bedarf aus. Dabei kann es sich einmal handeln um
- negative finanzielle Veränderungen (z.B. verringertes Einkommen, neue Belastungen) oder
- positive finanzielle Veränderungen (z.B. erhöhtes Einkommen, Karrieresprung, Wegfall von Belastungen).
Zeitlich gesehen sind als eheprägende Unterhaltspflichten folglich alle Verpflichtungen des unterhaltspflichtigen Ehegatten anzusehen, die vor der Rechtskraft der Ehescheidung entstanden und tatsächlich erfüllt worden sind, also sowohl für solche gegenüber den gemeinsamen Kindern als auch für die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem später, aber noch vor Rechtskraft der Scheidung geborenen Kind des unterhaltspflichtigen Ehegatten und gegenüber der Mutter des Kindes (OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.3.2017 – 13 UF 106/15 unter Hinw. auf BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, NJW 2012, 384).
Auf der anderen Seite werden auch positive finanzielle Veränderungen, die bis zur Rechtskraft der Scheidung eintreten, den bedarfsbestimmenden ehelichen Lebensverhältnissen noch zugeschlagen.
Hinweis:
Dies gilt aber ausnahmsweise nicht, wenn es nach der Trennung oder Scheidung zu einer unerwarteten, außerhalb des Normalverlaufs liegenden Einkommenserhöhung kommt, die nicht in der Ehe angelegt war (sog. Karrieresprung). Dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass die nach der Trennung (oder später nach der Scheidung) erzielten Einkünfte Ausdruck der ehelichen Lebensverhältnisse sind, wie sie während des Zusammenlebens in intakter Ehe bis zur Trennung bestanden haben (instruktiv OLG Hamm FamRZ 2017, 38). Dabei ist der Pflichtige dafür, dass sein Einkommen seit der Trennung sich außergewöhnlich und vom Normalverlauf abweichend entwickelt hat, darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH FamRZ 1986, 244 m.w.N.; Gerhardt, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 4 Rn 415).