1. Voraussetzungen
Auch beim Nachscheidungsunterhalt sind die allgemeinen Grundsätze von Bedarf und Bedürftigkeit der Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu beachten.
a) Auf Seiten der/des Unterhaltsberechtigten
Die Voraussetzungen für die gerichtliche Zuerkennung eines Unterhaltsbetrags sind:
Der Unterhaltsanspruch ist
- fällig,
- nicht verwirkt und
- es stehen keine Ausübungshindernisse entgegen.
Die/der Berechtigte hat einen unterhaltsrechtlich anerkannten Bedarf.
(vereinfachend: Was der/dem Berechtigten unterhaltsrechtlich zusteht.)
Die/der Berechtigte kann den Bedarf nicht selbst durch eigene finanzielle Mittel decken, sog. Bedürftigkeit.
(vereinfachend: Was die/der Berechtigte – noch – braucht.)
b) Auf Seiten des Unterhaltspflichtigen
Die Beurteilung erfolgt anhand der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung
Hinweis:
Beim Ehegattenunterhalt müssen die oben dargestellten Punkte genau differenziert werden. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat die Darlegungs- und Beweislast für seinen Bedarf und seine Bedürftigkeit. Der unterhaltspflichtige Ehegatte hat die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergeben soll (BGH FamRZ 1990, 283, 287; OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1011).
2. Bedarf
Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst sich nach allen eheprägenden Einkünften und Belastungen der Ehegatten, die den Lebensverhältnissen der Ehegatten „ihren Stempel aufgedrückt“ haben. Er orientiert sich daher in erster Linie an den Einkommen beider Eheleute, die während der Ehe erzielt worden sind und die Lebensverhältnisse geprägt haben. Zur Bedarfsbemessung gehören aber auch eheprägende Belastungen z.B. durch unterhaltsberechtigte Kinder und Schulden. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung (BGH FamRZ 1984, 657; OLG Hamm FamRZ 2017, 38).
Damit wirken sich auch Veränderungen während der Trennungszeit noch auf den Bedarf aus. Dabei kann es sich einmal handeln um
- negative finanzielle Veränderungen (z.B. verringertes Einkommen, neue Belastungen) oder
- positive finanzielle Veränderungen (z.B. erhöhtes Einkommen, Karrieresprung, Wegfall von Belastungen).
Zeitlich gesehen sind als eheprägende Unterhaltspflichten folglich alle Verpflichtungen des unterhaltspflichtigen Ehegatten anzusehen, die vor der Rechtskraft der Ehescheidung entstanden und tatsächlich erfüllt worden sind, also sowohl für solche gegenüber den gemeinsamen Kindern als auch für die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem später, aber noch vor Rechtskraft der Scheidung geborenen Kind des unterhaltspflichtigen Ehegatten und gegenüber der Mutter des Kindes (OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.3.2017 – 13 UF 106/15 unter Hinw. auf BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, NJW 2012, 384).
Auf der anderen Seite werden auch positive finanzielle Veränderungen, die bis zur Rechtskraft der Scheidung eintreten, den bedarfsbestimmenden ehelichen Lebensverhältnissen noch zugeschlagen.
Hinweis:
Dies gilt aber ausnahmsweise nicht, wenn es nach der Trennung oder Scheidung zu einer unerwarteten, außerhalb des Normalverlaufs liegenden Einkommenserhöhung kommt, die nicht in der Ehe angelegt war (sog. Karrieresprung). Dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass die nach der Trennung (oder später nach der Scheidung) erzielten Einkünfte Ausdruck der ehelichen Lebensverhältnisse sind, wie sie während des Zusammenlebens in intakter Ehe bis zur Trennung bestanden haben (instruktiv OLG Hamm FamRZ 2017, 38). Dabei ist der Pflichtige dafür, dass sein Einkommen seit der Trennung sich außergewöhnlich und vom Normalverlauf abweichend entwickelt hat, darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH FamRZ 1986, 244 m.w.N.; Gerhardt, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 4 Rn 415).
3. Bedürftigkeit
Die Bedürftigkeit muss aktuell bestehen. Bedürftig ist der Ehegatte nicht, soweit er über ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt, um sich selbst zu unterhalten. Der dann noch offene Bedarf kann als Unterhalt geltend gemacht werden.
4. Leistungsfähigkeit
Die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen muss
- im gleichen Zeitraum bestehen, für den Unterhalt geltend gemacht wird – Grundsatz der Gleichzeitigkeit (Kongruenz) von Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit (BVerfG FamRZ 2005, 1051 m. Anm. Klinkhammer FamRZ 2005, 1055 und Graba FamRZ 2005, 1149; BGH FamRZ 2013, 1554 dazu Viefhues jM 2014, 134; OLG Dresden NZFam 2014, 378);
- in dem Zeitraum bestanden haben, für den aufgrund der Bedürftigkeit Unterhalt verlangt wird. Wechseln sich Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Zeiten der Erwerbstätigkeit ab, ist kein Durchschnittseinkommen über den Gesamtzeitraum zu bilden, sondern zeitabschnittsweise zu rechnen (BGH 2008, 594 m. Anm. Borth = FamRZ 2008, 778 m. Anm. Weychardt). Wenn der Unterhaltspflichtige – sei es durch einen Lottogewinn ode...