In 40 Jahren Berufserfahrung als Familienanwältin hat sich für mich gezeigt: Wir Juristen sind zwar in der Lage, das Familienrecht anzuwenden. In vielen Fällen können die Ergebnisse jedoch nicht nachhaltig zu einer Konfliktbereinigung im Bereich des Familienrechts führen. Aus verschiedenen Gründen: Uns Juristen fehlt in der Regel eine Ausbildung, die uns befähigt, die Kernkonflikte, die den familienrechtlichen Streitigkeiten zugrunde liegen, zu erkennen und den Konfliktparteien dabei behilflich zu sein, diese Konflikte zu lösen.
Allzu oft liegen persönliche Verletzungen vor, die ungeklärt bleiben und in einer juristischen Auseinandersetzung auch nicht gelöst werden (können). Sie sind die Ursache für rechtliche Streitigkeiten – sei es beim Unterhalt, beim Zugewinnausgleich oder sonstigen Folgesachen. Vordergründig geht es dabei um das Geld oder um die Kinder. Dahinter steckt aber oft eine persönliche Kränkung, mangelnde Anerkennung oder das Gefühl, für den Ehemann oder die Kinder Opfer gebracht zu haben, die nicht honoriert werden. Gerade Frauen, die sich für die Familie „aufopfern“ und noch dem üblichen Rollenbild gerecht werden (wollen), stehen nach Jahren der Familienarbeit und Kindererziehung häufig vor dem Nichts: Dem Mann sind sie nicht mehr interessant genug, er hat sich im Beruf weiterentwickelt und sucht eine andere Partnerin, die Kinder sind in der Pubertät oder erwachsen, ihnen ist eine allzu treusorgende Mutter lästig.
In dieser Lebenssituation trifft eine Frau, die ihr Leben mit anderen Zielrichtungen geführt und gelebt hat, eine Trennung und Scheidung besonders hart. Dann wird um Unterhalt und Zugewinnausgleich, Ehewohnung, Immobilien, Sorgerecht etc. gekämpft – in der Regel werden die Verletzungen aber bei juristischen Grabenkriegen größer und nicht kleiner. Je verbitterter ein solcher Prozess geführt wird, desto größer ist meist die Frustration bei der Partei, die sich eine Lösung/Erlösung durch uns Juristen, die Anwälte und den Familienrichter, erhofft. Und auch der andere Part, der angegriffen wird und nun für das verpasste und verpatzte Leben zahlen soll, gerät in immer tiefere Frustrationen.
Dies sind die Prozesse, die Bände von Akten füllen und bei denen jeder Richter darauf wartet, dass er in ein anderes Dezernat versetzt wird, um nicht entscheiden zu müssen. Gerade eine langjährige Prozessdauer bringt in familienrechtlichen Konflikten keine Lösung, sondern nur weitere Probleme. Das gilt besonders deshalb, weil sich die Lebenssituationen der Parteien nach der Trennung und Scheidung häufig mit der Folge ändern, dass immer wieder neue Berechnungen angestellt werden müssen. Die Frau hat etwa einen neuen Lebenspartner, der Mann hat weitere Kinder, es gibt erhebliche Wertsteigerungen von Immobilien im Bereich des Zugewinnausgleichs, die zu bewertenden Reitpferde, die in den Zugewinnausgleich fallen würden, sind inzwischen tot. Bei Immobilien oder Unternehmensbewertungen dauert die Begutachtung sehr lange, ist teuer und oft angreifbar, so dass diese Prozesse zu Gutachten, Gegengutachten, Obergutachten und der Führung durch zwei oder drei Instanzen führen. Am Ende steht ein rechtskräftiges Urteil, mit dem in der Regel niemand mehr zufrieden ist oder sein kann.
Ist ein Verfahren durch zwei oder gar drei Instanzen gegangen, ist meistens so viel Zeit verstrichen, dass selbst ein bestens begründetes Urteil nicht mehr hilft. Auch neue Wendungen in der gesamten familienrechtlichen Rechtsprechung, neue Entscheidungen, wie sie zuletzt häufig durch den BGH ergangen sind, können nicht mehr nachhaltig die Wunden heilen, die inzwischen geschlagen worden sind.
Dies sind die Gründe, warum Familienrechtler nach Alternativen zur gerichtlichen Auseinandersetzung suchen, gesucht haben und zum Teil auch fündig geworden sind. Interessant dabei ist, dass z.B. die Mediation im Mittelalter ein wichtiges Konfliktlösungsinstrument in Europa war und die Mediationswelle, die aus dem Familienrecht aus den USA zu uns herübergeschwappt ist, sich nunmehr seit 20 Jahren am Markt durchzusetzen versucht. Dies gelingt häufig, ist allerdings noch immer ein Kostenproblem für die Parteien. Erfreulicherweise übernehmen einige Rechtsschutzversicherungen die Kosten für eine Mediation. Viele Scheidungspaare klagen jedoch darüber, dass sie zunächst den Mediator und auch beratende Anwälte bezahlen, am Ende aber doch – mit weiterer Kostenfolge – prozessieren müssen. Zugegebenermaßen: Eine misslungene Mediation ist teuer, aber ein jahrelang geführter Prozess kann noch teurer – und nerviger – sein.
Inzwischen setzt sich auch das Instrument des Collaborative Law (auch Kokon- oder CP-Verfahren genannt) immer mehr durch. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass es nicht zu einem „Arabischen Basar-Verhandeln“ kommt und/oder eine Partei unterlegen ist bzw. von der anderen über den Tisch gezogen wird, ohne dass der Mediator dies verhindern kann. Im CP-Verfahren haben beide Parteien von Anfang an Anwälte in den Sitzungen dabei und können auch Dr...