a) Bewertungsgrundsätze
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG. Maßgebend ist zunächst der vom Gericht festgesetzte Geschäftswert. Hier ist allerdings zu beachten, dass dieser Geschäftswert für den beteiligten Anwalt gem. § 32 Abs. 1 RVG nur dann gilt, wenn sein Mandant auch am gesamten Verfahrensgegenstand beteiligt ist, also wenn er geltend macht, Alleinerbe zu sein, bzw. wenn er einen Teilerbschein beantragt, der seinen gesamten von ihm beanspruchten Erbteil erfasst. Häufig vertritt der Anwalt einen Beteiligten, der nur eine Erbquote geltend macht. In diesem Fall gilt dann für diesen Anwalt nur der entsprechende anteilige Geschäftswert (BGH NJW 1968, 2334; NJW 1977, 584 = FamRZ 1977, 130; OLG Karlsruhe ErbR 2016, 538 = AGS 2016, 580; OLG Hamburg AGS 2012, 304 = FamRZ 2012, 1584; BayObLG, Beschl. v. 22.12.2005 – 1 Z BR 101/04).
Hinweis:
Hier wird in der Praxis häufig falsch abgerechnet!
Beispiel 20: Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit (I)
Der Anwalt vertritt seinen Mandanten im Erbscheinsverfahren mit dem Antrag, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerbe ausweisen soll. Das Gericht setzt den Geschäftswert auf 100.000 EUR fest.
Für den Anwalt gilt der volle Wert des Verfahrens (§ 40 Abs. 1 GNotKG).
Beispiel 21: Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit (II)
A beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe ausweisen soll. Der anwaltlich vertretene B tritt dem entgegen; B ist der Auffassung, dass er und A zu je ½ Erben seien, und beantragt, den Erbschein mit dieser Maßgabe zu erteilen. Das Gericht setzt den Geschäftswert auf 100.000 EUR fest.
Für den Anwalt des B ist nur der hälftige Wert maßgebend, also 50.000 EUR, da dieser Wert seinem begehrten Erbteil entspricht.
Beispiel 22: Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit (III)
A beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe ausweisen soll. Die durch denselben Anwalt vertretenen B und C treten dem entgegen. Sie sind der Auffassung, dass sie und A zu je ⅓ Erben seien, und beantragen, den Erbschein mit dieser Maßgabe zu erteilen. Das Gericht setzt den Geschäftswert auf 120.000 EUR fest.
Für A ist der volle Nachlasswert anzusetzen. Für B und C ist jeweils ⅓ des Geschäftswerts maßgebend. Beide Werte sind für ihren Anwalt zu addieren (§ 22 Abs. 1 RVG), so dass er seine Vergütung nach 80.000 EUR abrechnet. Von jedem Auftraggeber kann er dagegen gem. § 7 Abs. 2 RVG die Vergütung nur aus 40.000 EUR verlangen (s. unten Beispiel 27).
b) Abweichender Höchstwert für die Anwaltsgebühren
Zu berücksichtigen ist, dass nach § 22 Abs. 2 S. 1 RVG für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren eine Begrenzung auf 30 Mio. Euro gilt, und zwar auch dann, wenn das in Bezug genommene Kostengesetz keine Wertgrenze oder – wie hier – eine höhere Wertgrenze vorsieht. Diese Begrenzung ist gegebenenfalls im Verfahren nach § 33 RVG zu klären.
Beispiel 23: Wertbegrenzung (I)
Der Anwalt hat den Mandanten in einem Erbscheinsverfahren vertreten und die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt. Das Gericht hat den Geschäftswert auf 45 Mio. Euro festgesetzt.
Für das Gericht greift zwar nach § 35 Abs. 2 GNotKG eine Begrenzung des Geschäftswerts erst bei Nachlasswerten von über 60 Mio. Euro; für den Anwalt gilt dagegen die Begrenzung des § 22 Abs. 1 RVG auf 30 Mio. Euro.
Bei mehreren Auftraggebern erhöht sich die Grenze um weitere 30 Mio. Euro je weiterem Auftraggeber bis maximal 100 Mio. Euro, aber nur, wenn verschiedene Gegenstände zugrunde liegen (§ 22 Abs. 2 S. 2 RVG).
Beispiel 24: Wertbegrenzung (II)
Der Anwalt hat zwei Mandanten in einem Erbscheinsverfahren vertreten, die jeweils die Erteilung eines Erbscheins zu ½ beantragt haben. Das Gericht hat den Geschäftswert auf 45 Mio. Euro festgesetzt.
Jetzt liegt die Begrenzung bei insgesamt 60 Mio. Euro, so dass der Anwalt nach dem vollen Wert von 45 Mio. Euro abrechnen kann (§ 22 Abs. 2 S. 2 RVG). Gegenüber jedem einzelnen Auftraggeber kann der Anwalt allerdings nur nach einem Wert von 22,5 Mio. Euro abrechnen (§ 7 Abs. 2 RVG).