1. Erteilungsverfahren
a) Gesetzliche Regelung
In Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins gilt für den Geschäftswert die Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Wird der Erbschein nur für einen Teil des Nachlasses beantragt, ist nur der entsprechende Anteil maßgebend (§ 40 Abs. 2 GNotKG). Wird ein beschränkter Erbschein beantragt, gilt grundsätzlich nur das Vermögen, auf das sich der beschränkte Erbschein erstreckt (§ 40 Abs. 3 GNotKG). Eine Sonderregelung findet sich für Hoferbfolgezeugnisse (§ 40 Abs. 1 S. 3 u. 4 GNotKG).
b) Anwendbares Recht
Auch wenn nach § 40 Abs. 1 GNotKG bei der Bewertung auf den Tag des Erbfalls abgestellt wird (s. unten c), gilt dies nicht für die Frage des anwendbaren Rechts. Hier ist vielmehr darauf abzustellen, wann der Erbscheinsantrag gestellt worden ist (OLG Köln ErbR 2015, 56; OLG Hamm ZErb 2015, 354 = FamRZ 2016, 731 = ErbR 2016, 169).
Hinweis:
Die Regelungen des GNotKG sind also auch dann anzuwenden, wenn zwar der Erbfall vor dem 1.9.2013 eingetreten ist, der Erbscheinsantrag allerdings erst nach dem 31.8.2013 gestellt wurde.
c) Bewertungszeitpunkt
aa) Grundsatz
Maßgebend ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erbfalls. Insoweit enthält § 40 Abs. 1 GNotKG eine spezielle Vorschrift, die der allgemeinen Regelung des § 96 GNotKG vorgeht, wonach grundsätzlich auf die Fälligkeit der Gerichtsgebühr – also auf die Beendigung des Verfahrens – abzustellen ist. Es ist daher unerheblich, wann der Erbscheinsantrag gestellt wird. Maßgebend ist immer der Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Soweit früher unter Geltung der KostO die Auffassung vertreten wurde, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei, eine wirtschaftliche Betrachtung vorzunehmen, wenn eine lange Zeit seit dem Erbfall vergangen sei und der Nachlass sich zwischenzeitlich erheblich reduziert habe, kann dies nach § 40 GNotKG nicht mehr vertreten werden. Dem Gesetzgeber war dieses Problem bekannt. Er hat insoweit keine abweichende Regelung getroffen, sondern für alle Fälle auf den Zeitpunkt des Erbfalls abgestellt (Korintenberg/Sikora, GNotKG, 20. Aufl. 2017, § 40 Rn 30; NK-GK/Greipl, 2. Aufl. 2017, § 40 GNotKG Rn 14; HK-GNotKG/Greipl, § 40 Rn 10).
Umgekehrt sind auch Wertsteigerungen unbeachtlich. Hat sich der Wert des Nachlasses, etwa infolge von Kursgewinnen bei Aktien, Wertsteigerungen bei Grundstücken etc. deutlich erhöht, ist dies unerheblich. Abzustellen ist stets stichtagsbezogen auf den Zeitpunkt des Nachlasses.
bb) Vorerbe
Wird von einem Vorerben ein Erbschein beantragt, so gilt der volle Nachlasswert. Die Beschränkungen, die sich aus der Stellung als Vorerbe ergeben, sind nicht wertmindernd zu berücksichtigten (OLG Hamm ZErb 2015, 354 = FamRZ 2016, 731 = ErbR 2016, 169; Korintenberg/Sikora, § 40 Rn 30). Das gilt auch dann, wenn keine befreite Vorerbschaft vorliegt. Das gilt unabhängig davon, ob der Erbe den Beschränkungen der §§ 2113 Abs. 1, 2114, 2116–2119, 2123, 2127–2131, 2133, 2134 BGB unterliegt oder ob er hiervon nach § 2136 BGB befreit ist.
cc) Nacherbfall
Im Falle eines Nacherbfalls ist allerdings für den Erbscheinsantrag des Nacherben nicht auf den Erbfall abzustellen. Obwohl der Nacherbe rechtlich betrachtet Erbe des Erblassers wird (arg. e § 2137 BGB), ist hier auf den Wert des Nachlasses abzustellen, wie er im Zeitpunkt des Nacherbfalls noch vorhanden ist (OLG Hamm ZErb 2015, 354 = FamRZ 2016, 731 = ErbR 2016, 169; Korintenberg/Sikora, § 40 Rn 30; HK-GNotKG/Greipl, § 40 Rn 10). Konsequenterweise muss man dann im Gegenzug hier aber auch Wertsteigerungen berücksichtigen, die während der Vorerbschaft eingetreten sind.
dd) Vorausgegangener Scheinerbe
Ebenso wird eine abweichende Bewertung zugrunde gelegt, wenn der Nachlass zunächst von einem Scheinerben in Besitz genommen worden ist und sich später erst das Erbrecht des wahren Berechtigten herausstellt. Auch in diesem Fall wird nicht auf den Erbfall abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem sich herausstellt, dass der Scheinerbe gar nicht Erbe und der Nachlass dem wahren Erben angefallen ist (Korintenberg/Sikora, § 40 Rn 30; HK-GNotKG/Greipl, § 40 Rn 10). Ebenso muss man dann auch hier konsequenterweise Wertsteigerungen berücksichtigen, die beim Scheinerben eingetreten sind.
d) Berechnung des Nachlasses
Bei der Berechnung des Nachlasses sind einerseits alle Aktiva zu berücksichtigen (§ 40 Abs. 1 S. 1 GNotKG), andererseits aber auch alle vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abzuziehen (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG). Sämtliche Aktiva und Passiva sind zu saldieren. Nicht zu den Erblasserschulden gehören und damit nicht abzugsfähig sind:
- Auflagen (OLG Hamm ZErb 2015, 354 = FamRZ 2016, 731 = ErbR 2016, 169),
- Bestattungskosten – insoweit noch anders nach der KostO, die nach § 107 Abs. 2 KostO den Abzug (sämtlicher) Nachlassverbindlichkeiten vorsah (OLG Köln ZEV 2014, 608 = ErbR 2015, 56; FamRZ 2017, 1418 = ErbR 2017, 180; OLG Schleswig NJW-RR 2015, 767 = FamRZ 2015, 786),
- Erbschaftssteuer (OLG Hamm ZErb 2015, 354 = FamRZ 2016, 731 = ErbR 2016, 169),
- Pflichtteilsansprüche (OLG Schleswig NJW-RR 2015, 767 = ErbR 2015, 112 = FamRZ 2015, 786; OLG K...