Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zum Anwaltshaftungsrecht ist traditionell wenig anwaltsfreundlich. Der BGH geht im Allgemeinen vom Idealbild des allwissenden Rechtsberaters aus. So soll ein Anwalt etwa selbst dann haften müssen, wenn ein Schaden des Mandanten (mit) durch einen Fehler des erkennenden Gerichts verursacht wurde (vgl. dazu Deckenbrock NJW 2018, 1636 ff. sowie sogleich unter 2.). In seiner Entscheidung vom 21.6.2018 (Az. IX ZR 80/17, ZAP EN-Nr. 533/2018) schlägt der Senat nun überraschend neue Töne an. Im dem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte eine Anwältin für ihre Mandantin eine Erwerbsunfähigkeitsrente bei der DRV beantragt. Die DRV bewilligte eine vorübergehende Teilerwerbsunfähigkeitsrente und fügte ihrem Bescheid ein Hinweisschreiben bei, aus dem sich die Rechte eines teilweise erwerbsgeminderten Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber ergaben. Die Anwältin leitete dieses Schreiben an ihre Mandantin weiter und bat sie darum, es ihrem Arbeitgeber vorzulegen. Im Nachhinein warf die Mandantin der Anwältin vor, sie nicht (auch) über die aus dem einschlägigen Tarifvertrag folgende Notwendigkeit eines schriftlichen Weiterbeschäftigungsantrags innerhalb von zwei Wochen belehrt zu haben. Als Folge des unterbliebenen Antrags hatte ihr Arbeitsverhältnis geendet, ohne dass ihr zugleich eine vollständige Erwerbsminderungsrente zugesprochen worden war. Der IX. Senat entschied, dass ein Rechtsanwalt nur dann zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des ihm erteilten Mandats verpflichtet ist, wenn er die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten kannte, aus denen die dem Mandanten drohende Gefahr folgte, oder wenn diese offenkundig waren.
Jedenfalls im Hinblick auf den zu entscheidenden Fall vermochte dies nicht zu überzeugen. Es muss für die beklagte Anwältin hier auf der Hand gelegen haben, dass ihrer Mandantin zumindest irgendein arbeitsrechtliches Ungemach infolge der durch sie erstrittenen Rente drohte; jedenfalls vor dieser Eventualität hätte sie warnen müssen. Dass sie dies unterlassen hat, stellt entgegen der Auffassung des BGH eine potenziell haftungsbegründende Nebenpflichtverletzung dar. Die durch den IX. Zivilsenat in den Entscheidungsgründen versuchte Differenzierung zwischen Rentenbewilligung und arbeitsrechtlichen Folgen wirkt stark gekünstelt (vgl. Markworth NJW 2018, 2478 f.). Jedenfalls kann in dieser Einzelfallentscheidung nicht ohne Weiteres ein genereller Rechtsprechungswandel erblickt werden.