Dass Anwaltsverträge beim Mandanten zu Hause, an seinem Arbeitsplatz, auf dem Sportplatz oder in der Zelle einer JVA, also i.S.d. § 312b BGB außerhalb der anwaltlichen Geschäftsräume abgeschlossen werden, ist ebenso wenig ein neues Phänomen wie der Vertragsschluss per Telefon oder Telefax, d.h. mit den Mitteln des Fernabsatzes i.S.d. § 312c BGB. Dennoch konnten Anwälte die strengen Vorgaben der §§ 312 ff. BGB lange Zeit getrost ignorieren, da ihre Mandatsakquise kein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Verbraucherschutz aufkommen ließ. Traditionell vollzieht sich die Vertragsanbahnung zwischen Rechtsanwalt und Mandant stark personalisiert. Zumeist kommt es deshalb schon vor dem eigentlichen Vertragsbeginn zu einem persönlichen Zusammentreffen, in dessen Verlauf sich der Mandant einen persönlichen Eindruck von seinem Gegenüber und der ihm offerierten Leistung verschaffen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Im Übrigen sind die Mandanten durch das RVG vor Überraschungen in Bezug auf die Gebührenhöhe gefeit. In den Fokus des Verbraucherschutzrechts ist der Anwaltsvertrag erst gerückt, seit auch Anwälte den E-Commerce für sich entdeckt haben, womit massive Veränderungen der Mandatswerbung einhergingen. Wenn sich ein Mandant seinen Anwalt nicht mehr nach persönlicher Empfehlung oder örtlicher Nähe, sondern aufgrund eines auf seinen Fall maßgeschneiderten Beratungsangebots im Internet aussucht und in der Folge der unmittelbare Kontakt zwischen Anwalt und Mandant zurückgeht, steigt das für das Verbraucherrecht typische Bedürfnis nach einem Schutz vor unüberlegten Entscheidungen und Überrumpelung.
Nachdem hierzu bereits eine Anzahl zum Teil divergierender untergerichtlicher Entscheidungen ergangen waren, hatte am 23.11.2017 (Az. IX ZR 204/16, ZAP EN-Nr. 145/2018) der BGH die Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, inwiefern Anwaltsverträge den Regeln für den Fernabsatz unterfallen können. Dabei hat er – zu Recht – einen verbraucherfreundlicheren Ansatz als die bisherige Rechtsprechung und Literatur verfolgt. Mit erfreulicher Deutlichkeit hat der BGH klargestellt, dass auch Rechtsanwälte sich nicht den Vorgaben des Verbraucherschutzrechts entziehen können. Dem Verbraucher steht bei einem mit Fernkommunikationsmitteln i.S.d. § 312c Abs. 2 BGB geschlossenen Anwaltsvertrag ein Widerrufsrecht nur dann nicht zu, sofern der Anwalt darlegen und beweisen kann, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines Fernabsatzsystems erfolgt ist (vgl. § 312c Abs. 1 a.E. BGB). Wann dies der Fall ist, bleibt aber unklar. Richtigerweise ist das Fernabsatzrecht bei einer ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Vertragsschluss selbst dann anwendbar, wenn die anschließende Beratungsleistung selbst traditionell-personalisiert erfolgt. Auch außerhalb der "echten" Online-Rechtsberatung durch die "virtuelle Kanzlei" mit "Anwalts-Hotline" ist in Zukunft also auf die Vorgaben des Verbraucherschutzrechts zu achten (näher Markworth AnwBl 2018, 166 f.; ders. AnwBl 2018, 214 ff.).