Die zweite Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2016 betraf § 59a Abs. 1 BRAO, wonach sich Rechtsanwälte allein mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen dürfen. Der 1. Senat hat die Norm wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) insoweit für verfassungswidrig erklärt, als sie Rechtsanwälten eine solche Berufsausübung mit Ärzten oder Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt (Deckenbrock/Markworth ZAP 16/2017, S. 837, 839). Da der Senat auch hier den Tenor äußerst eng gefasst hat, besteht für die Praxis ebenfalls Unsicherheit darüber, inwiefern die interprofessionelle Zusammenarbeit darüber hinaus zulässig ist. Ungeklärt ist also, ob Anwälten also etwa auch die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen wie Architekten und Ingenieuren und in anderen Rechtsformen wie etwa der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH offensteht.
Diese Unsicherheit ist seit einer in diesem Jahr ergangenen Entscheidung des Anwaltssenats zur berufsrechtlichen Zulässigkeit einer Bürogemeinschaft eines Anwalts mit einem Mediator/Berufsbetreuer noch einmal gestiegen. Der Anwaltssenat des BGH hat § 59a Abs. 1 BRAO, soweit er der Zusammenarbeit eines Anwalts mit einem Mediator oder Berufsbetreuer in einer Sozietät und daher (vgl. § 59a Abs. 3 BRAO) auch in einer Bürogemeinschaft entgegensteht, als verfassungsgemäß angesehen. Zur Begründung hat er insbesondere darauf abgestellt, dass die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht des Mediators weder berufsrechtlich im Rahmen der Aufsicht durch eine Kammer bzw. durch die Möglichkeit berufsgerichtlicher Maßnahmen noch vor allem strafrechtlich abgesichert sei, weil die Mediation – wie im Übrigen auch die Berufsbetreuung – nicht zu den in § 203 Abs. 1 StGB genannten Berufen gehöre (Urt. v. 29.1.2018 – AnwZ [Brfg] 32/17 m. Anm. Hartung NJW 2018, 1102 f.).
Es ist umstritten, inwiefern diese Begründung mit Blick auf die am 9.11.2017 in Kraft getretenen Neuregelungen der § 203 Abs. 3 StGB und § 53a Abs. 1 StPO (dazu ZAP 2/2018, 57, 58) noch haltbar ist (die Entscheidung des BGH verhält sich noch zur alten Rechtslage). Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers erfasst der Begriff "Vertragsverhältnis" i.S.d. § 53a Abs. 1 StPO auch die berufliche Mitwirkung von Mitgesellschaftern auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrags. Damit fallen auch Personen, die im Rahmen einer gemeinschaftlichen Berufsausübung, also etwa als Partner oder Mitgesellschafter, mit dem Berufsgeheimnisträger zusammenarbeiten, ohne selbst notwendig über ein originäres Zeugnisverweigerungsrecht zu verfügen, in den Schutzbereich der Norm (BT-Drucks 18/12940, S. 11). Entsprechendes gilt für die Verschwiegenheitspflicht (BT-Drucks 18/12940, S. 9). Nach Auffassung eines Mitautors dieses Reports rechtfertigen heutzutage jedenfalls Vertraulichkeitserwägungen nicht mehr den Ausschluss eines Mediators aus dem Kreis der nach § 59a Abs. 1 BRAO sozietätsfähigen Berufe (Deckenbrock BRAK-Mitt. 2018, 93 f.; a.A. Markworth WuB 2019, 44 ff.).