Sowohl die aktuellen Entscheidungen des BGH-Anwaltssenats als auch die des AGH Baden-Württemberg zeigen, dass dringender rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht. Immerhin hat nun auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in einer auf den 26.6.2018 datierten Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion konstatiert, dass es im Recht der Berufsausübungsgesellschaften – auch über die Vorgaben aus Karlsruhe hinaus – grundsätzlichen Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung sieht (BT-Drucks 19/3014). Inzwischen wurden vonseiten der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zwei Reformansätze vorgestellt. Die BRAK hat sich in einer Stellungnahme vor allem für die Öffnung der Rechtsform der Kommanditgesellschaft und damit auch der Sonderform der GmbH & Co. KG für Rechtsanwälte ausgesprochen (Stellungnahme Nr. 15/2018). Die Personenhandelsgesellschaften sind bislang Freiberuflern grundsätzlich verschlossen.
Daneben hat der Kölner Rechtswissenschaftler und Direktor des dortigen Instituts für Anwaltsrecht Prof. Dr. Martin Henssler im Auftrag des DAV einen umfassenden Reformentwurf erstellt und Anfang Juni anlässlich des Deutschen Anwaltstags präsentiert (AnwBl Online 2018, 564 ff.). Es geht ihm darum, Fragen zum Gesellschafterkreis und Fremdbesitz, zur Zulassungspflicht und Postulationsfähigkeit, zur Berufsaufsicht sowie zur Haftungsbegrenzung zeitgemäß neu zu regeln. Inhalt des Vorschlags ist auch die Pflicht, alle Sozietäten in das elektronisch verfügbare Kanzleiregister einzutragen. Zudem sollte seiner Ansicht nach ein "Compliance Officer" eingeführt werden, mit dessen Hilfe mögliche berufsrechtliche Risiken besser erkannt werden können. Der Entwurf erfasst darüber hinaus alle Auslandsgesellschaften, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz innerhalb oder außerhalb der EU haben – ein Bereich, in dem derzeit völlige Rechtsunsicherheit herrscht, wie insbesondere die "Jones-Day-Entscheidung" zeigt (vgl. dazu V. 1.).
Zu dem Gesetzesvorschlag kann in diesem Rahmen nicht im Einzelnen Stellung genommen werden. Herauszugreifen ist aber der wohl kontroverseste unter den Vorschlägen: die begrenzte Zulassung von Fremdkapital. Henssler erwägt, eine Beteiligung inaktiver Berufsträger in Höhe von knapp unter 25 % der Stimmrechte und des Gesellschaftskapitals an Berufsausübungsgesellschaften zuzulassen (vgl. Henssler AnwBl Online 2018, 564, 578 f.). Römermann hält diesen Vorschlag für zu zaghaft und fordert die Ermöglichung einer echten Beteiligung berufsfremder Gesellschafter nach dem Vorbild Englands oder Spaniens (vgl. Römermann NZG 2018, 1041, 1046 f.). Demgegenüber lehnt der Hannoveraner Anwaltsrechtler Christian Wolf jede Öffnung für Fremdkapital ab. Die Logik des Investors sei mit der Logik des freien Berufs nicht kompatibel (vgl. Wolf BRAK-Mitt. 2018, 162, 163). Auch das BMJV will am Verbot von reinen Kapitalbeteiligungen an Berufsausübungsgesellschaften zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft grundsätzlich festhalten. Es will aber prüfen, ob es in begrenzten Fällen, etwa bei inaktiven Berufsangehörigen, gelockert werden kann (BT-Drucks 19/3014, S. 3). In welchem Umfang sich die Anwaltschaft letztlich auf Reformen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts einzustellen hat, wird wohl erst das im Frühjahr erwartete Eckpunktepapier des BMJV zeigen.