1. Auseinandersetzungen in einer Sozietät
Der VI. Zivilsenat hatte sich mit der Klage eines Rechtsanwalts auf Unterlassung von Äußerungen und Zahlung eines Schmerzensgelds zu befassen. Anlass der Klage war, dass der Kläger von seinem ehemaligen Mitgesellschafter kurz nach dem Ausscheiden aus der gemeinsam betriebenen Sozietät als "bedauernswertes dummes Arschloch" bezeichnet worden war. Zwei weitere ehemalige Mitgesellschafter hatten sich dieser Äußerung in eigenen E-Mails angeschlossen und waren vom Kläger ebenfalls in Anspruch genommen worden. Der VI. Senat lehnte das Begehren des Klägers dennoch letztinstanzlich ab (Urt. v. 14.11.2017 – VI ZR 534/15). Für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch fehle es an der notwendigen Wiederholungsgefahr, obschon diese bei rechtswidrigen Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich tatsächlich zu vermuten war.
Diese auf den ersten Blick überraschende Entscheidung ist darauf zurückzuführen, dass die drei E-Mails aus Sicht des BGH allein eine unmittelbare und spontane Reaktion auf Äußerungen waren, die der Kläger seinerseits am selben Tag gegenüber dem Seniorpartner der Sozietät getätigt hatte. Unter anderem hatte der Kläger eine Krebserkrankung des Seniorpartners als "Strafe Gottes" für sein Verhalten ihm gegenüber hergeleitet. Eine Wiederholungsgefahr schloss der BGH auch deshalb aus, da die besondere Situation der Reaktionen – der Kläger hatte seinen Angriff gegen den Seniorpartner ausgerechnet am Heiligabend geführt – nicht wiederholbar sei.
Dementsprechend kam nach Auffassung des VI. Senats auch ein Anspruch auf Geldentschädigung nicht in Betracht. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliege, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich sei, könne nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei seien insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Der VI. Senat stellte insofern darauf ab, dass die beanstandeten Äußerungen der Beklagten zwar eine grobe Beleidigung darstellten, jedoch singulär geblieben und nur im Kreis der Partner und damit in einer sehr begrenzten Öffentlichkeit bekannt geworden seien. Als mildernden Umstand führt der VI. Senat zudem eine bei den Beklagten durch Beleidigung ihres Seniorpartners ausgelöste affektive Erregung an, die durch den gravierenden Zustand des beleidigten Seniorpartners und das anstehende Weihnachtsfest verstärkt worden sei. Schlussendlich habe daher eine mit dem in § 199 StGB adressierten Sachverhalt vergleichbare Situation vorgelegen, die zu einer Straffreiheit hätte führen können.
2. Widerruf des Anwaltsvertrags
Dass Anwaltsverträge beim Mandanten zu Hause, an seinem Arbeitsplatz, auf dem Sportplatz oder in der Zelle einer JVA, also i.S.d. § 312b BGB außerhalb der anwaltlichen Geschäftsräume abgeschlossen werden, ist ebenso wenig ein neues Phänomen wie der Vertragsschluss per Telefon oder Telefax, d.h. mit den Mitteln des Fernabsatzes i.S.d. § 312c BGB. Dennoch konnten Anwälte die strengen Vorgaben der §§ 312 ff. BGB lange Zeit getrost ignorieren, da ihre Mandatsakquise kein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Verbraucherschutz aufkommen ließ. Traditionell vollzieht sich die Vertragsanbahnung zwischen Rechtsanwalt und Mandant stark personalisiert. Zumeist kommt es deshalb schon vor dem eigentlichen Vertragsbeginn zu einem persönlichen Zusammentreffen, in dessen Verlauf sich der Mandant einen persönlichen Eindruck von seinem Gegenüber und der ihm offerierten Leistung verschaffen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Im Übrigen sind die Mandanten durch das RVG vor Überraschungen in Bezug auf die Gebührenhöhe gefeit. In den Fokus des Verbraucherschutzrechts ist der Anwaltsvertrag erst gerückt, seit auch Anwälte den E-Commerce für sich entdeckt haben, womit massive Veränderungen der Mandatswerbung einhergingen. Wenn sich ein Mandant seinen Anwalt nicht mehr nach persönlicher Empfehlung oder örtlicher Nähe, sondern aufgrund eines auf seinen Fall maßgeschneiderten Beratungsangebots im Internet aussucht und in der Folge der unmittelbare Kontakt zwischen Anwalt und Mandant zurückgeht, steigt das für das Verbraucherrecht typische Bedürfnis nach einem Schutz vor unüberlegten Entscheidungen und Überrumpelung.
Nachdem hierzu bereits eine Anzahl zum Teil divergierender untergerichtlicher Entscheidungen ergangen waren, hatte am 23.11.2017 (Az. IX ZR 204/16, ZAP EN-Nr. 145/2018) der BGH die Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, inwiefern Anwaltsverträge den Regeln für den Fernabsatz unterfallen können. Dabei hat er – zu Recht – einen verbraucherfreundlicheren Ansatz als die bisherige Rechtsprechung und Literatur verfolgt. Mit erfreulicher Deutlichkeit hat der BGH klargestellt, dass auch Rechtsanwälte sich nicht den Vorgaben des Verbraucherschutzrechts entziehen können. Dem Verbraucher steht bei einem mit Fernkommunikationsmitteln i.S.d. § 312c Abs. 2 BGB geschlossenen Anwaltsvertrag ein Widerrufsrecht nur dann nicht zu,...