Eine Daueraufgabe nannte Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley den im Koalitionsvertrag vorgesehenen "Pakt für den Rechtsstaat" in ihrer Rede anlässlich der Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestags. Recht hat sie – denn das zentrale Ziel dieses Pakts, das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie und den Rechtsstaat zu stärken, überhaupt zu schaffen oder wiederherzustellen, lässt sich nicht eben mal so erreichen. Es bedarf vieler Maßnahmen und Akteure, um dies zu bewirken.
Die Justiz personell zu stärken und effizientere Verfahren zu ermöglichen, ist dabei der primäre Ansatz, den der "Pakt für den Rechtsstaat" verfolgt. 2.000 zusätzliche Stellen sollen dafür auf allen Ebenen der Justiz geschaffen werden. Um die Finanzierung gab es Ende des vergangenen Jahres zähe Diskussionen zwischen Bund und Ländern. Zuletzt hieß es, der Bund habe den Ländern 220 Mio. Euro angeboten, um die zusätzlichen Stellen zu finanzieren. Barley zeigte sich jedenfalls in ihrer Rede beim Neujahrsauftakt der Bundesrechtsanwaltskammer Mitte Januar zuversichtlich, dass bald eine Einigung erzielt wird. Hoffen wir, dass sie auch damit Recht behält!
Anklingen ließ Barley ferner, dass noch eine zweite Stufe des "Pakts für den Rechtsstaat" folgen solle, in der auch die Anwaltschaft eingebunden werde. Offen gesagt: Das ist mehr als nötig! Ein wesentlicher Kritikpunkt an dem Pakt war und ist nämlich, dass die Anwaltschaft darin überhaupt nicht vorkommt. Dabei ist ein funktionierender Rechtsstaat ohne uns Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte schlicht undenkbar.
Nur wir ermöglichen unseren Mandantinnen und Mandanten, die von staatlichen Entscheidungen betroffen sind oder mit privaten Rechtsstreitigkeiten zu kämpfen haben, den Zugang zum Recht und zu einer endgültigen, gerichtlich überprüften und rechtskräftigen Entscheidung. Oder wir ermöglichen eine außergerichtliche Lösung ihres Konflikts – denn auch dies ist ein wichtiger Aspekt des Zugangs zum Recht: die Beratung über den optimalen Weg, eine rechtliche Auseinandersetzung zu lösen. Ein anhaltender Dialog mit unserer Mandantschaft und Information darüber, wie das deutsche Rechtssystem funktioniert, welche gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten es bereithält und welche im konkreten Fall erfolgversprechend sind, und nicht zuletzt kompetente Arbeit – auf diese Weise tragen wir Anwältinnen und Anwälte in unserer täglichen Arbeit dazu bei, den Rechtsstaat zu stärken.
Keine Frage also: Das verlorene Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat wieder aufzubauen, dürfen wir nicht allein der – nach dem Pakt personell aufgestockten und verfahrensmäßig effektivierten – Justiz überlassen. Gerade die Anwaltschaft ist gefragt, sich aktiv in den "Pakt für den Rechtsstaat" einzubringen. Man muss den Pakt aber über die Justiz hinaus zu Ende denken: Nachhaltig und kraftvoll als Organe der Rechtspflege wirken können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nur, wenn sie eine angemessene wirtschaftliche Grundlage hierfür haben.
Eine Reform des anwaltlichen Gebührenrechts ist dringend nötig angesichts struktureller Defizite im RVG und der schon gute fünf Jahre zurückliegenden letzten Anpassung der Gebühren. Einen detaillierten Forderungskatalog haben BRAK und DAV bereits im April 2018 vorgelegt. Wirklich ernsthaft fördert der Gesetzgeber ihn nicht: Erst im November wurde er den Ländern zur Stellungnahme zugeleitet, seitdem ist nichts weiter geschehen.
Schon jetzt hallt uns entgegen, dass der Zugang zum Recht für Bürger mit geringen und mittleren Einkommen weiter verschlechtert werde – nicht wegen der Anpassung der Anwaltsgebühren, sondern wegen der regelmäßig daran gekoppelten Erhöhung der Gerichtskosten. Da ist natürlich etwas dran. Diese Koppelung mag praktisch sein, erforderlich ist sie nicht. Ein prohibitives Gerichtsgebührensystem verfälscht den Blick auf die Realitäten: Insbesondere die Ziviljustiz arbeitet kostendeckend, ohne dass die gebotene Transparenz hergestellt wird. Und die Finanzierung des Justizvollzugs ist definitiv eine Aufgabe des Staates aus Steuermitteln – nicht etwa durch die Rechtsuchenden qua Gerichtskosten. Die Koppelung von Anwaltsgebühren und Gerichtskosten ist damit nicht mehr als ein Scheinargument, das der zweifelsohne berechtigten Anpassung der Anwaltsgebühren nicht seriös entgegengehalten werden kann.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, selbstverständlich muss die Justiz personell und sachlich so ausgestattet sein, dass sie funktioniert und eine Vorbildfunktion weltweit für den Zugang zum Recht hat. Dies ist ja auch Bestreben des "Pakts für den Rechtsstaat" – und damit sind wir wieder am Anfang:
Der Rechtsstaat braucht die Anwaltschaft – wirtschaftlich unabhängig und geschützt vor staatlichen Eingriffen in die anwaltliche Verschwiegenheit. Und nur eine funktionierende Selbstverwaltung der Anwaltschaft kann und wird zum Gelingen des Pakts für den Rechtsstaat beigetragen.
Das ist auch aus einem anderen Grund in ihrem ureigenen Interesse. Denn mit dem Vertrauen in den Rec...