1. Klageantrag bei behinderungsbedingter Beschäftigung
Nicht immer gelingt es, den Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen gem. § 164 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX außergerichtlich, ggf. auch im BEM-Verfahren erfolgreich durchzusetzen, sodass dann Klage beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss. Vielfach stellt sich dann die Frage unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes, wie der Klageantrag zu formulieren ist.
Formulierungsvorschlag:
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger, ggf. nach entsprechender Vertragsänderung, vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats und ggf. nach Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens, in einem Arbeitsbereich einzusetzen, in dem der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten, bevorzugt im Sitzen in geschlossenen und temperierten Räumen ausüben kann.
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Kläger ggf. nach entsprechender Vertragsänderung, vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats und ggf. nach Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens, als Verwaltungsangestellten (Einkauf), alternativ Sachbearbeiter Telekommunikation, alternativ Angestellter Materialverwaltung, alternativ Telefonist/Verwaltungsangestellter (Bürokommunikation), alternativ Lagerangestellter (Material- und Gütebestimmung) zu beschäftigen.
(vgl. Vorschlag nach Schmidt, a.a.O. Rn 241 unter Hinweis auf BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155, 158; Düwell LPK-SGB IX zu § 164 Rn 219).
Bei eingeschränkter Schichttauglichkeit sollten zur Klarstellung auch noch die wöchentliche Arbeitszeit und die möglichen Schichtzeiten in den Antrag aufgenommen werden.
Es sollte auch darauf geachtet werden, dass mehrere unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten genannt werden, da dem schwerbehinderten Menschen kein Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes zusteht. So kann sichergestellt werden, dass die Beschäftigungsklage nicht als unbegründet abgewiesen wird, denn dem Arbeitgeber bleibt die Entscheidung, mit welcher der genannten Tätigkeitsvorschläge er den Arbeitnehmer beschäftigen will (vgl. BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155,158, m.w.N.).
Gleiches gilt auch für den Antrag auf behindertengerechte Ausstattung der Arbeitsstätte, wenn der Arbeitgeber zu einer bestimmten Handlung verurteilt werden soll.
Formulierungsvorschlag:
Der Beklagte wird verurteilt, die Zugänge zum Büro der Beklagten einschließlich Umkleideraum, Pausenraum und Toilette im Gebäude (Adresse, Stockwerk genaue Bezeichnung ggf. unter Beifügung einer Skizze bzw. eines Plans) jeweils mit elektrischen Türöffnern auszustatten.
2. Darlegungs- und Beweislast
Bei einer Beschäftigungsklage nach § 164 Abs. 4 SGB IX gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155 ff.): Der schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer als Kläger sollte folgende Punkte darlegen und beweisen:
- eingeschränktes Leistungsvermögen, ggf. unter Vorlage eines fachärztlichen bzw. betriebsärztlichen Attestes,
- Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs,
- Darlegung, welche Beschäftigungsmöglichkeiten aus seiner Sicht noch bestehen, bei denen die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten verwertet werden können,
- Darlegung, wie der Arbeitsplatz ggf. umgestaltet werden muss, damit eine Weiterbeschäftigung möglich ist.
Sodann muss der beklagte Arbeitgeber substanziiert auf folgende Punkte eingehen und unter Beweis stellen:
- konkrete Begründung, warum keine behinderungsgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen,
- Darlegung, dass die im Antrag genannten Zuweisungen an Beschäftigungsmöglichkeiten für ihn unzumutbar/unverhältnismäßig sind,
- Darlegung, dass kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist und auch nicht in naher Zukunft frei wird,
- Darlegung, dass auch kein entsprechender Arbeitsplatz durch Versetzung besteht,
- Darlegung, dass der Arbeitnehmer nicht über die notwendige Qualifikation verfügt,
- Darlegung, warum eine Umgestaltung mit technischen Arbeitshilfen nicht möglich ist,
- die behinderungsgerechte Beschäftigung verstößt u.U. gegen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften,
- erfolglose Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX.
Literaturhinweis:
Vgl. zum Vorgehenden auch Schmidt, a.a.O., Rn 243–252).
Aus den vorgenannten Ausführungen wird sehr deutlich, dass der größere Aufwand für die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber liegt, will dieser nicht riskieren, zur behindertengerechten Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 SGB IX verurteilt zu werden. Dies ist nur konsequent, wenn man sich vor Augen hält, dass das Ziel des § 164 SGB IX in erster Linie die Beschäftigungsförderung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen ist.