1. Änderungen halbherzig
Wie kann man dieses KostRÄG 2021 betreffend die Teile 4 und 5 VV RVG bewerten? Nun, m.E. passt am besten: Es röhrt ein Elefant und er gebiert eine Maus. Oder: Es handelt sich um sehr halbherzige Änderungen/Anpassungen des RVG, die m.E. deutlich die Handschrift der Bundesländer erkennen lassen, die Angst um ihre klammen Staatskassen haben, wofür auch der Versuch spricht, das Inkrafttreten selbst dieses Gesetzes noch um zwei Jahre zu verschieben. Die Bundesländer wollen so wenig wie möglich an zusätzlichem Geld für Rechtsanwälte ausgeben. Daher auch die zeitgleiche Anhebung der Gerichtskosten pp. Dagegen hatten sich BRAK und DAV gewehrt. Und was haben wir jetzt? Ein KostRÄG. Wie man zu dessen Entwurf schreiben konnte: "Auch wenn nicht alle Forderungen von DAV und BRAK in den vorliegenden Regierungsentwurf Eingang gefunden haben – das vorliegende Ergebnis ist ein Erfolg und zeigt, dass sich die Mühen der letzten Monate gelohnt haben" (https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/news/rvg-anpassung-startschuss), erschließt sich mir – zumindest für die Teile 4 und 5 VV RVG – nicht. Denn zumindest für diese Teile ist nicht einer der im gemeinsamen Katalog von DAV und BRAK (vgl. Hansens RVGreport 2018, 202, 204) enthaltenen Vorschläge umgesetzt worden. Und nicht nur das: Die Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistands im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG wird gegenüber der bisherigen Regelung noch weiter erschwert. Da hat es auch nichts geholfen, wenn man dagegen in der "Gemeinsamen Stellungnahme Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein" aus August 2020 (Stellungnahme Nr. 40/2020 bzw. Stellungnahme Nr. 54/2020, jeweils S. 8., s. Hansens RVGreport 2020, 361) Sturm gelaufen ist. Im Gesetzgebungsverfahren hat sich nichts mehr geändert.
2. Vermisste Änderungen
Angetreten war man mal mit einem 3. KostRMoG. Dass der Regierungsentwurf von September 2020 den Namen nicht zu Recht tragen würde, hatte dann auch wohl das BMJV erkannt und nennt das vorgesehene Gesetz dann lieber nur KostRÄG 2021. Ein KostRMoG wäre es – bezogen auf die Teile 4 und 5 VV RVG zumindest teilweise – gewesen, wenn man die gemeinsamen Vorschläge von DAV und BRAK (vgl. Hansens RVGreport 2018, 202 ff.) aufgegriffen hätte. Dann hätte man endlich die Tätigkeiten des Zeugenbeistands im Strafverfahren angemessen honoriert, wie es schon mal der Entwurf für das 2. KostRMoG vorgesehen hatte, bevor das BMJV vor den Bundesländern gekniffen hat. Vielleicht hätte man auch endlich mal die Regelung in der Nr. 4102 VV RVG überarbeiten können und weitere Termine, an denen der Rechtsanwalt im Strafverfahren teilnimmt, honorieren können. Denn es ist doch nicht einzusehen, warum ein Verteidiger, der an einem vom Gericht anberaumten Abstimmungsgespräch nach § 213 Abs. 2 StPO teilnimmt, diese Teilnahme nicht besonders vergütet bekommen soll. Dasselbe gilt für die Teilnahme des Verteidigers an Durchsuchungsmaßnahmen oder an Erörterungen des Standes des Verfahrens nach den §§ 160b, 202a StPO. Auch die unsinnige Bündelung der zu einer Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG führenden Termine in S. 2 der Anm. zu Nr. 4102 RVG müsste längst entfallen. Das in dieser Regelung erkennbar werdende Misstrauen gegenüber dem Verteidiger als "Gebührenschinder" ist nicht berechtigt. Und: Warum repariert man nicht auch endlich die Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG und macht auch das Einscannen von Akten (wieder) "abrechnungsfähig"? Da führt man das beA ein und ist auf dem Weg zur elektronischen Akte, verharrt aber bei der Abrechnung der Herstellung und Überlassung von Dokumenten im Papierzeitalter.
3. Unzureichende lineare Anhebung
Hauptkritikpunkt ist m.E. aber der Grad der linearen Anhebung der anwaltlichen Gebühren um durchschnittlich nur 10 %, die für alle Teile des RVG gilt. Das hört sich zunächst nach viel an. Das ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass die letzte Erhöhung durch das 2. KostRMoG aus dem Jahr 2013 stammt, also fast acht Jahre zurückliegt, und davor die Anwaltsgebühren letztmals 1994 angehoben worden sind. Die Einführung des RVG im Jahr 2004 hatte keine linearen Erhöhungen gebracht. Die Erhöhungen, die durch das RVG eingetreten sind, waren auf die geänderten Strukturen zurückzuführen. 10 % sind nicht viel? Ja, das ist nicht viel. Wenn man sich mal die Steigerungen in anderen Bereichen in dem Zeitraum ansieht, werden die 10 % mehr sehr schnell aufgefressen. Und: Wenn ich richtig gerechnet habe, dürften die Gehälter der Bundesbeamten in dem Zeitraum um rund 20–25 % brutto gestiegen sein.
Alles in allem: Meines Erachtens ist eine Chance auf eine vernünftige Anhebung der anwaltlichen Vergütung und eine Modernisierung des RVG mal wieder vertan.
Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
ZAP F. 24, S. 149–160