Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage ist der prozessuale Anspruch eines Klägers auf Verurteilung der Behörde, den abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt zu erlassen. Ist die Sache nicht spruchreif, ist der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, § 113 Abs. 5 VwGO. Im Steuerrecht ist die Verpflichtungsklage in § 40 Abs. 1 FGO geregelt. Auch das Sozialgerichtsgesetz sieht eine Verpflichtungsklage in § 54 Abs. 1 SGG vor.
Hinweis:
OVG Lüneburg, Beschl. v. 4.12. 2020 – 10 LC 402/18, juris Rn 26:
In Literatur und Rechtsprechung wird die Frage, ob § 113 Abs. 4 VwGO auf die Verpflichtungsklage analoge Anwendung finden kann, unterschiedlich beurteilt. Hintergrund der Kontroverse ist, dass der mit dem Annexantrag verfolgte Anspruch ein künftiger Anspruch ist, da er erst entsteht, wenn die Behörde in Erfüllung der gerichtlichen Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren den bestandskräftigen Verwaltungsakt zumindest teilweise aufgehoben hat (vgl. auch VGH Hessen, Urt. v. 3.11.2010 – 7 B 1704/10, juris Rn 22).
a) Verwaltungsakt
Eine Verpflichtungsklage kann in Bezug auf alle Arten von Verwaltungsakten erhoben werden. Umstritten ist, ob dies auch für Realakte (z.B. Dienstfahrten, vgl. Zimmerling in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 839 BGB [Stand: 17.12.2020] Rn 41) der Fall ist. Während ein Teil der Rechtsprechung dahingehend argumentiert, dass die Entscheidung der Behörde, ob sie den Realakt vornimmt, seinerseits ein Verwaltungsakt sei, wird dies von anderen Teilen unter Hinweis auf den fehlenden Regelungscharakter verneint (bejahend z.B. OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.12.2020 – 13 MN 506/20, juris Rn 21 [Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Kontaktdatenerhebung], andererseits OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17.11.2020 – 4 O 128/20, juris Rn 6 f. [Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren] und VG Kassel, Urt. v. 26.11. 2020 – 6 K 2433/17.KS, juris Rn 25 [Zu geringe Veranlagung zu einem Straßenbeitrag]).
b) Widerspruchsverfahren (Verpflichtungswiderspruch)
Für die Versagungsgegenklage gelten die o.g. Ausführungen (II. 1. c) entsprechend. Für die Untätigkeitsklage ist bereits wegen § 75 S. 1 VwGO kein Vorverfahren erforderlich.
c) Klageantrag
In dem Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts ist der Bescheidungsantrag regelmäßig als Minus enthalten (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1997, 271, 273 [BVerwG, Urt. v. 4.6.1996 – 4 C 15.95]). Ist aber ein Verpflichtungsantrag gestellt und die Sache nicht spruchreif, wird die Klage insoweit abgewiesen und lediglich zur Bescheidung verurteilt.
d) Abgrenzung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
Für die Abgrenzung der beiden Klagearten kommt es i.d.R. weniger auf die Statthaftigkeit als vielmehr auf Fragen des materiellen Rechts an. Folgende Fallgruppen sind besonders praxisrelevant:
- Kontingentklagen (Konkurrentenklagen),
- Zurückstellung von Baugesuchen,
- Klagen eines Begünstigten wegen belastender Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts,
- Versagung von Sozialleistungen,
- Billigkeitsentscheidungen in Abgabesachen.
e) Beispiele für Verpflichtungsklagen
- Erteilung einer versammlungsrechtlichen Genehmigung,
- Herabsetzung einer Zweitwohnungssteuer auf Null,
- Genehmigung eines Versorgungsvertrags,
- Anerkennung als Asylberechtigter,
- Eintragung in die Liste einer Architektenkammer,
- Akteneinsicht,
- Zulassung zu einer Prüfung,
- Beamtenrechtliche Beförderung.