1. Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht
Anfang vergangenen Jahres hatte der BGH (Beschl. v. 27.1.2021 – StB 44/20 m. zust. Anm. Peukert/Klünker NZWiSt 2021, 242 ff.; Thole EWiR 2021, 179 f.) sich mit der Frage zu befassen, wer genau bei einer (inzwischen insolventen) juristischen Person (Wirecard) zur Entbindung der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ihrer Berufsträger von der Verschwiegenheitspflicht berufen ist. Der BGH betont zutreffend, dass grds. allein diejenigen Personen dazu befugt sind, einen Berufsgeheimnisträger von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, die zu jenem in einer geschützten Vertrauensbeziehung stehen. Hierunter fielen im Rahmen eines Mandatsverhältnisses mit einem Wirtschaftsprüfer regelmäßig nur der Auftraggeber und nicht etwaige Dritte. Für eine juristische Person sind nach Auffassung des Senats diejenigen zur Abgabe einer Entbindungserklärung berechtigt, die zu ihrer Vertretung zum Zeitpunkt der Zeugenaussage berufen sind (nicht aber die früheren Organmitglieder, die während der Beratungstätigkeit aktiv gewesen waren). Soweit für die juristische Person innerhalb des berufsbezogenen Vertrauensverhältnisses natürliche Personen tätig geworden sind, bedarf es deren (zusätzlicher) Entbindungserklärung grds. nicht. Allein dadurch, dass sie für die juristische Person handelten, hätten sie noch kein eigenes geschütztes Vertrauensverhältnis zu dem Berufsgeheimnisträger begründet. Hierbei sei insb. zu berücksichtigen, dass die Interessen der juristischen Person einerseits und der für diese handelnden natürlichen Person andererseits auseinanderfallen können. Würde gleichwohl zusätzlich auf Dritte abgestellt, könnte derjenige, der die Dienstleistung einer zur Verschwiegenheit verpflichteten juristischen Person in Anspruch nimmt und in dessen Interesse der Geheimnisträger tätig wird, nicht zur Wahrung seiner eigenen Belange eine Zeugenaussage ermöglichen (bei Entbindung von der Schweigepflicht besteht eine Aussagepflicht). Ist über das Vermögen der juristischen Person das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, sei nach diesen Grundsätzen der Verwalter zur Entbindung von der Verschwiegenheit befugt, soweit das Vertrauensverhältnis Angelegenheiten der Insolvenzmasse betrifft. Die Dispositionsbefugnis des Geheimnisherrn werde durch § 80 Abs. 1 InsO auf den Verwalter übergeleitet. Etwas anderes könne allenfalls in spezifisch gelagerten, im Streitfall indes nicht gegebenen Sonderkonstellationen gelten, in denen der Dritte seinerseits in einer individuellen Vertrauensbeziehung zu dem Berufsgeheimnisträger steht (vgl. dazu auch Jungmann NZI 2021, 340, 341). Auch wenn die hier vorgestellte Entscheidung Wirtschaftsprüfer betrifft, dürften für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften und ihre Berufsträger identische Grundsätze gelten (Grunewald NJW 2021, 3696 Rn 9).
2. Werberecht
Eine Rechtsanwältin hatte 2018 auf ihrer Homepage unter der Überschrift "Besondere Aktivitäten" aufgeführt: "Mitglied der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der Rechtsanwaltskammer München". Tatsächlich war sie aber bereits seit 2012 nicht mehr Mitglied dieser Vorstandsabteilung der RAK München. Die Anwältin wurde deswegen von einem anderen Anwalt wettbewerbsrechtlich abgemahnt. Der BGH (Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 123/20) sah in der im Internetauftritt enthaltenen unzutreffenden Behauptung, derzeit Mitglied der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer RAK zu sein, eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG. Diese sei geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat. Die Kompetenzen, die der Anwalt durch die entsprechende Angabe auf der Homepage werblich in den Vordergrund stellen will, müssten gegenwärtig von Bedeutung sein. Zudem hob der I. Zivilsenat hervor, dass tatsächliche Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des als Irreführung beanstandeten Verhaltens sprechen, in der Darlegungs- und Beweislast der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Partei liegen.
Diese Entscheidung dürfte man insoweit verallgemeinern können, als grds. alle Angaben auf der Homepage eines Anwalts marktrelevant sind. Anwälte sollten daher ihren Internetauftritt stets aktuell halten und Tätigkeiten, die nicht mehr oder momentan nicht ausgeübt werden, entweder nicht weiter auflisten oder aber mit entsprechenden Zeitangaben kennzeichnen (Nittmann GRUR-Prax 2021, 647; Huff BRAK-Mitt. 2021, 392). Ansonsten kann etwa die nicht mehr aktuelle Angabe, dass man Lehrbeauftragter an einer Hochschule oder Mitglied eines Schiedsgerichts eines Sportverbands sei, eine berechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnung nach sich ziehen (Deckenbrock NJW 2021, 3468).
Einen weiteren Fall der Irreführung betraf eine Entscheidung des LG Münster (Urt. v. 16.7.2021 – 22 O 12/21; dazu Dahns NJW-Spezial 2021, 734). Danach ist die Bezeichnung eines angestellten Anwalts als "Partner" irrefü...