1. Bedarfsprägung
a) Unbestimmte Nebeneinkünfte
Der Unterhaltsbedarf bestimmt sich gem. § 1361 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Sie werden in erster Linie durch das jeweilige Einkommen der Eheleute geprägt, wobei abzustellen ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute, an deren Entwicklung sie bis zum Zeitpunkt der Trennung gemeinschaftlich teilnahmen. Da das Eheband während der Trennung weiterbesteht, fließen jedoch grds. alle in dieser Zeit eintretenden positiven und negativen wirtschaftlichen und persönlichen Entwicklungen in die ehelichen Lebensumstände ein, falls sie nicht auf einer unerwarteten vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen.
Das OLG Koblenz (FamRZ 2021, 1368) hat eine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch neben der laufenden Gehaltsvergütung gewährten Börsenpapiere verneint, da sie erst nach einer Haltedauer veräußert werden konnten und mit ihnen der laufende Lebensbedarf nicht gedeckt wurde.
b) Wahl der Darlegung bei günstigen Einkommensverhältnissen
Bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen richtet sich regelmäßig der Unterhaltsbedarf nach den Beträgen, die während der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft tatsächlich zum Konsum verwendet wurden (vgl. BGH, FamRZ 2020, 21).
Der BGH (FamRZ 2021, 1965 m. Anm. Seiler) weist darauf hin, dass bei sehr guten Einkommensverhältnissen der Unterhaltsberechtigte ein Wahlrecht hat, nach welcher Methode er seinen Unterhalt bemessen will, also nach dem für den Unterhalt maßgeblichem Einkommen (Quotenunterhalt mit 3/7 des Einkommens) oder durch konkrete Darstellung der Ausgaben für den Lebensbedarf. Er kann bis zu einem Höchstbetrag seinen Unterhaltsbedarf allein nach der Höhe der Einkünfte bestimmen, da regelmäßig davon auszugehen ist, dass sie für den Konsum verwendet worden sind. Der BGH geht hierbei von einem Gesamteinkommen der Ehegatten bis zum Doppelten des Höchstbetrages der Düsseldorfer Tabelle aus (zurzeit 11.000 EUR). Bei der konkreten Bemessung ist der eheangemessene Unterhaltsbedarf nach den Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind. Hierbei ist nicht der frühere in der Ehe entstandenen Bedarf festzuschreiben, sondern eine Fortschreibung dahin vorzunehmen, was benötigt wird, um die ehelichen Lebensverhältnisse aufrechtzuerhalten. Auch bei einer konkreten Bedarfsbemessung stellt der Quotenunterhalt unter Berücksichtigung eines objektiven Maßstabs im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz die Obergrenze dar.
Der konkrete Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Miete einschließlich der Nebenkosten für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte.
c) Darlegung des Altersvorsorgeunterhalts bei günstigen Einkommensverhältnissen
Bemisst der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf nach der Quotenmethode mit dem von der Rechtsprechung gebilligten Höchstbetrag, so kann er nach einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW 2021, 3537 m. Anm. Born) nicht zugleich einen sich aus Elementarunterhalt und Altersvorsorgeunterhalt zusammengesetzten Gesamtunterhaltsanspruch geltend machen, der jenen Quotenbedarf übersteigt. Anders kann die Lage nur sein, wenn der Altersvorsorgeunterhaltsberechtigte darlegt, dass ausreichend zusätzliche, nichtprägende Einkünfte vorhanden sind, aus denen der Vorsorgebedarf neben dem laufenden Unterhaltsbedarf befriedigt werden kann, ohne dass deshalb der Halbteilungsgrundsatz verletzt wird.
Hinweis:
Bei der Tenorierung ist der auf den Altersvorsorgeunterhalt entfallenden Anteil des Gesamtunterhaltsanspruchs auszuweisen. Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt sind unselbstständige Teile eines den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs.
d) Bedarf bei Unterbringung im Pflegeheim
Das OLG Koblenz (FamRZ 2021, 1020) weist darauf hin, dass die ehelichen Lebensverhältnisse auch beeinflusst werden durch krankheits- oder pflegebedürftige Kosten einschließlich der Kosten für betreutes Wohnen oder Unterbringung in einem Pflegeheim (so auch OLG Hamm, FamRZ 2018, 259). Sind die ehelichen Lebensverhältnisse wirtschaftlich beengt, können die Kosten der Unterbringung nach Auffassung des OLG nur hinsichtlich eines Zweibettzimmers anerkannt werden. Insoweit trifft den bedürftigen Ehegatten eine Obliegenheit zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen, aus der sich auch der Umzug in ein anderes Pflegeheim ergeben kann.
2. Coronabedingte Einschränkung der Erwerbsobliegenheit
Betreut eine getrennt lebende unterhaltsberechtiget Ehefrau schulpflichtige Kinder, so ist sie mit zunehmendem Alter der Kinder grds. verpflichtet, ihre Erwerbtätigkeit nach Maßgabe des abnehmenden Betreuungsbedarfs auszuweiten. Das OLG Celle (FamRZ 2021, 1367) hat eine Obliegenheitsverletzung einer Mutter verneint, die aufgrund des coronabedingten Wegfalls des Präsenzunterrichts die Kinder während des häuslichen Fernunterrichts im Rahmen des sog. Homeschoolings unterstützt und ihre Erwerbstätigkeit nicht ausgeweitet hatte. Änderungen seien einem Abänderungsverfahren vorbehalten und erst dann gerechtfertigt, wenn eine durchgehend schulpräsente Betreuung der Kinder gewährleistet sei.