1. Betreuungserfordernis
a) Grundsatz
Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit die Betreuung erforderlich ist. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein Betreuungsbedarf besteht, bedarf nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2021, 1737 = MDR 2021, 1268; FamRZ 2021, 1657 = MDR 2021, 1269) der konkreten tatrichterlich Feststellung und ist aufgrund der konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Hierbei ist zu prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht kommen.
b) Erfordernis trotz Vorsorgevollmacht
Gemäß § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Im Regelfall scheidet daher eine Betreuerbestellung aus, wenn eine Vorsorgevollmacht erteilt worden ist.
In Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. BGH, FamRZ 2018, 1188) hat der BGH (FamRZ 2021, 1654 und 2021, 1657) betont, dass eine Betreuung trotz Vorsorgevollmacht dann erforderlich sein kann, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Beurteilungsmaßstab für das Handeln des Bevollmächtigten ist, ob es sich i.R.d. Zweckbindung der Bevollmächtigung hält.
Sind behebbare Mängel bei der Ausübung der Vollmacht festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken.
In einem Streit über den vom Bevollmächtigten gewählten Aufenthaltsort der Betroffenen (200 km vom Wohnort ihres Ehemannes entfernt) zwischen dem bevollmächtigten Sohn und dem Ehemann der Betroffenen hat das Landgericht eine Betreuerbestellung abgelehnt.
Der BGH (FamRZ 2021, 1236 m. Anm. Müller-Engels = MDR 2021, 1139 = FuR 2021, 495 m. Bearb. Soyka) hat die Entscheidung aufgehoben, weil das Landgericht bei seiner Abwägung nicht alle wesentlichen Grundsätze berücksichtigt und insb. die Beeinträchtigung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht hinreichend gewürdigt hatte. Unter dem Gesichtspunkt der dem Staat obliegenden grundrechtlichen Schutzpflichten kann sich im Einzelfall die Notwendigkeit einer Betreuungsanordnung zum Schutz der Ehe ergeben. Artikel 6 Abs. 1 GG enthalte eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern. Die Ehe ist hiernach als umfassende, grds. unauflösbare Lebensgemeinschaft gewährleistet.
2. Betreuerbestellung
a) Vorschlag des Betroffenen
Der BGH (FamRZ 2021, 1822 m. Anm. Schwab = MDR 2021, 1468 = FuR 2021, 667 m. Bearb. Soyka) bekräftigt seine Rechtsprechung (vgl. BGH, FamRZ 2020, 1300), dass der Betreuervorschlag des Betroffenen gem. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB maßgeblich ist. Sein Wille kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann. Der Vorschlag erfordert weder die Geschäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person soll sein Betreuer werden.
Der BGH (FamRZ 2021, 1659 = FuR 2021, 611 m. Bearb. Soyka) weist darauf hin, dass nach § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB darauf Rücksicht genommen werden soll, wenn der Betroffene vorschlägt, eine bestimmte Person nicht als Betreuer zu bestellen. Anders als bei positiven Vorschlägen des Betroffenen gem. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB zu einer Person, die zum Betreuer bestellt werden kann, ist das Gericht an die Ablehnung einer Person als Betreuer nicht gebunden. Um eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betroffenen und seinem Betreuer zu gewährleisten, hat das Gericht jedoch den Wunsch des Betroffenen bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen.
b) Schutz der Familie und Selbstbestimmungsrecht
Das BVerfG (FamRZ 2021, 1055 m. Anm. Schneider) hat betont, dass bei der Betreuerbestellung sowohl dem Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 GG als auch dem in Art. 6 GG normierten Schutz der Familie Rechnung zu tragen ist. Demzufolge ist eine bevorzugte Berücksichtigung eines Familienangehörigen als Betreuer jedenfalls dann geboten, wenn eine tatsächlich von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindung besteht. Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts ist § 1897 BGB, wonach bei der Betreuerauswahl u.a. auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen Rücksicht zu nehmen ist. Dies kommt zur Anwendung, wenn der Betroffene eine Angehörige als Betreuerin benannt hat.
Die Bestellung einer anderen als die von dem Betreuten gewünschten Person ist nur dann geboten, wenn die fehlende Eignung im konkreten Einzelfall dazu führt, dass eine Befolgung des Wunsches eine erhebliche Gefahr für den Betreuten mit sich brächte und er diese Gefahr aufgrund der Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
Der BGH (FamRZ 202...