Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich dagegen ausgesprochen, in das StGB einen neuen Tatbestand aufzunehmen, der einen „digitalen Hausfriedensbruch” unter Strafe stellt. In seiner offiziellen Stellungnahme zu der entsprechenden Gesetzesinitiative des Bundesrats erläutert der Verein, dass der vorgeschlagene neue Straftatbestand sowohl gegen das Übermaßverbot als auch gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt und überdies überflüssig ist.
Der Bundesrat hatte kürzlich zum wiederholten Mal einen Gesetzesantrag eingereicht, der einen neuen Tatbestand des „digitalen Hausfriedensbruchs” in das Strafrecht aufnehmen möchte (vgl. BT-Drucks 20/1530). Nach dem Willen der Länderkammer soll der bestehende strafrechtliche Schutz informationstechnischer Systeme durch die Einführung der Strafbarkeit der „unbefugten Nutzung von IT-Systemen” erweitert werden. Hierzu soll ein neuer Straftatbestand in Form eines § 202e StGB in das StGB eingeführt werden. Dieser soll den unbefugten Zugang zu einem informationstechnischen System, dessen unbefugten Gebrauch und die unbefugte Beeinflussung und Ingangsetzung eines Datenerfassungs- bzw. informationstechnischen Ablaufs unter Strafe stellen. Damit wollen die Länder auch die in letzter Zeit stark gestiegenen Begehungsmodalitäten wie etwa den Aufbau, den Betrieb und die Nutzung von Botnetzen erfassen, mit deren Hilfe die Täter u.a. sog. DDoS-Angriffe, heimliches Krypto-Mining, Ransomware-Erpressungen und Online-Betrug begehen.
Nach Auffassung des DAV besteht hier aber keine Regelungslücke. Im StGB-Abschnitt zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs fänden sich bereits IT-relevante Straftatbestände in Form des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB), Abfangens von Daten (§ 202b StGB), Vorbereiten des Ausspähens von Daten (§ 202c StGB) und der Datenhehlerei (§ 202d StGB). Ergänzt würden diese Schutzvorschriften – im Abschnitt über die Sachbeschädigung – durch die Datenveränderung (§ 303a StGB) und die Computersabotage (§ 303b StGB), die die Unversehrtheit von Daten und den störungsfreien Systembetrieb schützen sollen. Der jetzt neu vorgeschlagene „digitale Hausfriedensbruch” würde demgegenüber einen „uferlosen” Regelungsbereich eröffnen, indem die unbefugte Benutzung fast aller technischer Geräte mit modernen informationstechnischen Komponenten unter Strafe gestellt würde. Hierzu zählte etwa der missbräuchliche Gebrauch vieler Geräte der alltäglichen Nutzung, wie beispielsweise die unberechtigte Benutzung eines Smart-TV, ggf. sogar die missbräuchliche Nutzung eines offenen WLAN-Netzes, die Betätigung einer computergestützten Fahrstuhlsteuerung oder das missbräuchliche Drücken einer Haltewunschtaste in modernen Nahverkehrsfahrzeugen. Faktisch bedeute dies eine weitreichende Pönalisierung, die vom – dem Bürger oft gar nicht bekannten – tatsächlichen digitalen Modernisierungsstand einzelner technischer Einheiten abhinge. Dies würde einen erheblichen Verstoß gegen das Übermaßverbot begründen.
Zwar soll der „digitale Hausfriedensbruch” nach Vorstellung des Bundesrats-Entwurfs von der zusätzlichen Voraussetzung einer „Beeinträchtigung berechtigter Interessen” abhängig sein; dies ist nach Auffassung des DAV aber keineswegs ausreichend, um den Tatbestand zu konturieren. Diese Einschränkung sei „bei Weitem zu unscharf” gefasst und würde zu ganz erheblichen Problemen bei der Rechtsanwendung führen, ist der Verein überzeugt. Damit sei auch eine „sehr deutliche Verletzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG” vorgezeichnet.
Ähnlich wie der DAV sieht es auch die Bundesregierung. In ihrer Gegenäußerung zum Gesetzentwurf hat sie ebenfalls etliche Bedenken dargelegt. Damit dürfte das Vorhaben wohl auch im dritten Anlauf im Gesetzgebungsgang stecken bleiben. Möglicherweise macht die Länderkammer deshalb bald einen vierten Versuch mit einem wiederum nachgebesserten Entwurf.
[Quellen: Bundestag/DAV]