Man fühlt sich ein wenig an die Vorlesungen im Römischen Recht zu Beginn des Jurastudiums erinnert. Dort tauchten als Parteien eines Zivilprozesses ständig der „Aulus Agerius” und der „Numerius Negidius” auf – Platzhalter-Namen für den Kläger und den Beklagten. Etwas Ähnliches plant jetzt, nach rd. zwei Jahrtausenden, auch der Europäische Gerichtshof: Statt in den offiziellen Schriftsätzen von „Kläger” und „Beklagter” zu reden oder lediglich die Initialen der authentischen Namen zu verwenden, sollen in Vorabentscheidungsverfahren künftig rein fiktive Namen für die Prozessbeteiligten vergeben werden.
Wie der EuGH Anfang Januar mitteilte, ist Zweck dieser Maßnahme, dass solche Verfahren, die aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten anonym geführt werden, leichter bezeichnet und identifiziert werden können. Das war bislang nicht so einfach, denn seit etlichen Jahren benutzt der EuGH aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten lediglich Initialen der Namen der beteiligten Parteien. Ab Januar 2023 werden deshalb allen neuen anonym geführten Verfahren, in denen sich natürliche Personen gegenüberstehen, mit Hilfe eines IT-basierten Generators fiktive Namen zugeordnet. Gleiches gilt für Verfahren, in denen juristische Personen beteiligt sind, deren Namen nicht unterscheidungskräftig sind.
Damit könne man nun die anonym geführten Verfahren leichter identifizieren. So würden diese besser im Gedächtnis bleiben und könnten sowohl in der Rechtsprechung als auch in anderen Zusammenhängen einfacher zitiert werden, hieß es aus Luxemburg. Die fiktiven Namen entsprächen nicht den wahren Namen von Parteien des Verfahrens; es handele sich auch nicht generell um existierende Namen. Sie würden in der Kopfzeile des Urteils sowie auf dessen erster Seite erscheinen, nach der Nummer der Rechtssache. Die Funktionsweise des Namensgenerators bestehe darin, Wörter in Silben aufzutrennen und diese dann nach dem Zufallsprinzip zusammenzufügen, um fiktive Wörter zu bilden. Der Generator besteht für alle Amtssprachen der Union und werde je nach Bedarf auch für die Sprachen von Drittländern weiterentwickelt.
Nicht angewendet werden soll diese Anonymisierung in Verfahren, in denen der geschilderte Zweck nicht zum Tragen kommt. Das sind u.a. Verfahren, an denen ein hinreichend unterscheidungskräftiges Unternehmen beteiligt ist, ebenso Klageverfahren und Rechtsmittelverfahren.
[Quelle: EuGH]