1. Abgrenzung von Forderungseinziehung und Forderungsabwehr
Dass die Frage, welche Tätigkeiten einem Unternehmen aufgrund einer Registrierung als Inkassodienstleister nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG) erlaubt sind, die Rechtsprechung auch künftig beschäftigen wird, zeigen eine Reihe von Parallelurteilen des VIII. Senats (BGH, Urt. v. 19.1.2022 – VIII ZR 122/21, VIII ZR 123/21, VIII ZR 124/21, VIII ZR 196/21, VIII ZR 220/21; v. 30.3.2022 – VIII ZR 358/20, VIII ZR 256/21; VIII ZR 277/21, VIII ZR 279/21, VIII ZR 283/21; v. 18.5.2022 – VIII ZR 343/21, VIII ZR 365/21, VIII ZR 380/21, VIII ZR 381/21, VIII ZR 423/21, VIII ZR 9/22, VIII ZR 28/22; Anm. zur Rechtsprechung durch Engler, RDi 2022, 184; Geissler, LTZ 2022, 141; Kappus, NZM 2022, 207; Markworth, EWiR 2022, 428; Römermann, EWiR 2022, 143; Rüchardt, GRUR-Prax 2022, 454). Der Senat hatte bereits 2019 in seinem „wenigermiete.de”-Urteil (v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18) entschieden, dass der Begriff Inkassodienstleistung eher weit zu verstehen sei. Die Rechtsberatung durch ein Inkassounternehmen beinhalte grds. die umfassende und vollwertige substanzielle Beratung der Rechtsuchenden im Bereich der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen. Lexfox, um die es sowohl 2019 als auch 2022 ging, stellt auf der von ihr betriebenen Internetseite www.wenigermiete.de einen für Besucher kostenlos nutzbaren „Online-Rechner” („Mietpreisrechner”) zur Verfügung. Die Gesellschaft wirbt damit, Rechte von Wohnraummietern aus der „Mietpreisbremse” (§ 556d BGB), welche diese an sie abtreten, „ohne Kostenrisiko” durchzusetzen. Eine Vergütung in Höhe eines Drittels „der ersparten Jahresmiete” verlange sie nur im Falle des Erfolgs. Anschließend machte Lexfox – nach vorherigem Auskunftsverlangen und Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB – gegen die beklagten Vermieter Ansprüche auf Rückzahlung überhöhter Miete sowie auf Zahlung von Rechtsverfolgungskosten geltend. 2019 hatte der VIII. Senat entschieden, dass sowohl der Einsatz des schon vor der eigentlichen Beauftragung durch den Kunden seitens Lexfox eingesetzte „Mietpreisrechners” als auch die Erhebung der Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB sowie das Feststellungsbegehren bzgl. der höchstzulässigen Miete noch als zulässige Inkassodienstleistungen anzusehen seien, da nicht erkennbar sei, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte. Es ist aber unumstritten, dass nur eine Forderungseinziehung, „einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung” zulässig ist, wohingegen Forderungsabwehr verboten bleibt (vgl. klarstellend § 2 Abs. 2 S. 1 RDG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt). Dennoch hat der VIII. Senat 2022 die Aufforderung an den Vermieter, künftig von dem Mieter nicht mehr die als überhöht gerügte Miete zu verlangen und diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen, nicht als unzulässige Maßnahme der Anspruchsabwehr gewertet. Dies geschah zu Unrecht, denn wer zur Mietherabsetzung auffordert, der wehrt (künftige) Vermieterforderungen ab (näher Markworth, EWiR 2022, 428; anders Deckenbrock, LMK 2022, 15402; Rillig, EWiR 2022, 523). Die Entscheidung erging vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt am 1.10.2021 (BGBl 2021 I, 3415), dessen Materialien enthielten insofern eine klare Aussage (BT-Drucks 19/27673, S. 39): Es erscheine „als eher zu weitgehend”, sofern die Zuordnung der „Aufforderung in dem Rügeschreiben, künftig nicht mehr die als überhöht gerügte Miete zu verlangen und die (möglicherweise erfolgte) Rechtsberatung zur künftigen Mietzahlung unter Vorbehalt” als Inkassodienstleistung bewertet würde. Ihre Zulässigkeit sollte vielmehr am Maßstab des § 5 Abs. 1 RDG gemessen werden. Zumindest nach nunmehr geltendem Recht hätte der VIII. Senat mithin anders entscheiden müssen.
2. Einziehung ausländischer Forderungen
Mit seinem vielbeachteten „Financialright”-Urteil hat Senat VIa des BGH die letzten Zweifel an der rechtsdienstleistungsrechtlichen Zulässigkeit des sog. Sammelklage-Inkassos, bei dem Inkassounternehmen sich Forderungen zur Einziehung abtreten lassen, die ausschließlich oder vorrangig gerichtlich durchgesetzt werden, ausgeräumt (BGH, Urt. v. 13.6.2022 – VIa ZR 418/21 m. Anm. Augenhofer, NJW 2022, 3323; Deckenbrock, WuB 2022, 493; Flory, RDi 2022, 484; Opelt, NZG 2022, 1511; Rillig, EWiR 2022, 700; Römermann, LTZ 2022, 270; Skupin, RDi 2022, 486 sowie BGH, Urt. v. 10.10.2022 – VIa ZR184/22). Der Senat stellte klar, dass auch die gebündelte Geltendmachung einer großen Anzahl von Forderungen gem. § 260 ZPO von der Inkassoerlaubnis gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt sei und dass es insofern keine Obergrenze gebe (Financialright hatte rd. 2.000 Forderungen gebündelt). Zudem wies der BGH ausdrücklich darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit des neuen Geschäftsmodells nicht durch seinen gewinnorientierten Charakter infrage gestellt werde. Es soll unerheblich sein, dass die Sammlung und gerichtliche Geltendma...