1. Wechselmodell
a) Voraussetzungen
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2020, 255, 2017, 532) ist die Frage, ob die Anordnung eines Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Dabei sind die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern, ihre Erziehungskompetenz und ein beachtlicher Wille des Kindes von entscheidender Bedeutung. Die Anordnung erfolgt im Umgangsverfahren.
Das OLG Dresden (FamRZ 2022, 1206) weist darauf hin, dass die Vorgaben des BGH nicht wie Tatbestandsmerkmale zu prüfen, sondern die in Betracht kommenden Betreuungsalternativen zu untersuchen und die jeweiligen Vor- und Nachteile für das betroffene Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen sind. Daher kann ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind. Der Wille eines herangereiften (hier 12-jährigen) Kindes ist jedenfalls beachtlich, wenn der Wille klar und eindeutig geäußert wird und er nicht auf Manipulation oder Beeinflussung beruht, sondern seinem wirklichen Willen und seinen wahren Bindungen zu beiden Elternteilen entspricht.
Das OLG Dresden (FamRZ 2022, 1208 = FuR 2022, 538 m. Hinw. Viefhues) wendet ein, dass bei Kleinkindern im Hinblick auf ihre seelischen Bedürfnisse Bedenken gegen die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells bestehen. Häufige Wechsel und längere Betreuungszeiten können für Kinder einen erheblichen Stress bedeuten. Bei einem Alter des Kindes bis zu 5 Jahren kann das Wechselmodell aus der Sicht der Bindungsforschung zu einem Entwicklungsrisiko werden.
Hinweis:
Bei hoher elterlicher Konfliktbelastung und entgegenstehendem Willen eines 14-jährigen Kindes entspricht die Anordnung eines Wechselmodells nicht dem Kindeswohl (OLG Brandenburg FamRZ 2022, 1210).
Das OLG Frankfurt a.M. (FamRZ 2022, 1532 m. Anm. Völker . FamRB 2022, 442 m. Hinw. Clausius) bejaht die bisher noch nicht abschließend geklärte Frage, ob ein von den Eltern praktiziertes nicht familiengerichtlich angeordnetes Wechselmodell in einem Sorgerechtsverfahren beendet werden kann, insb. wenn lediglich die Anordnung eines alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt wird. Der Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes ist regelmäßig in einem sorgerechtlichen Verfahren auszutragen. Eine Fortdauer des Wechselmodells kommt nicht in Betracht, wenn die Eltern keine hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit haben. Bei der Gesamtabwägung der Kindeswohlkriterien findet insb. auch die von den Eltern erstrebten Betreuungskonzepte Berücksichtigung.
b) Geltendmachung von Kindesunterhalt
Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinschaftlich zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Betreuen die Eltern ihr Kind im Wege eines sog. paritätischen Wechselmodells, fehlt es an der alleinigen Vertretungsbefugnis eines Elternteils i.S.d. Vorschrift.
Das OLG Bremen (FamRZ 2022, 1929) teilt die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 2014, 917; 2006, 1015), dass beim Wechselmodell dem Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält und dies gerichtlich klären lassen will, ein Wahlrecht zwischen zwei Möglichkeiten offensteht.
Er kann entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs vertritt oder der Elternteil muss bei Gericht beantragen, ihm gem. § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung des Kindesunterhalts allein zu übertragen. Das OLG folgt dem OLG Frankfurt a.M. (FamRZ 2017, 289), dass eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis vorzugswürdig ist, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird.
2. Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge
Bei der beantragten Herstellung gemeinsamer elterlicher Sorge für Kinder nichtverheirateter Eltern ist eine negative Kindeswohlprüfung vorzunehmen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 BGB).
Wie das OLG Braunschweig (FamRZ 2022, 1782 = FuR 2022, 632 m. Hinw. Faber) darlegt, sprechen i.d.R. ein nachhaltiger und schwerer elterlicher Konflikt, das Fehlen jeder Kooperation und Kommunikation wie auch die Herabwürdigung des anderen Elternteils gegen eine gemeinsame Sorge. Ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen. Die gemeinsame elterliche Sorge ist kein Instrument zur gegenseitigen Kontrolle der Eltern und zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge eines Elternteils.
3. Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat gem. § 1666 Abs. 1 BGB das Familiengericht die Maßnahmen zu treff...