1. Vaterschaftsanfechtung trotz Kenntnis bei Anerkennung
Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auch ein Mann berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, der die Vaterschaft gem. § 1592 BGB anerkannt hat. Diesem Recht steht nicht deshalb der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen, weil der Anfechtende bei Anerkennung der Vaterschaft gewusst hat, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt (OLG Düsseldorf FamRZ 2022, 1205). Nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung soll innerhalb einer zweijährigen Anfechtungsfrist eine freie Entscheidung möglich sein und der Mann Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob er das fremde Kind auf Dauer als eigenes betrachten will.
2. Vaterschaftsfeststellung
Nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist – analog bei Auflösung der Ehe durch den Tod – oder der die Vaterschaft anerkannt hat. Besteht keine Vaterschaft nach diesen Vorschriften, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen.
a) Sog. Becherspendung
Das OLG Stuttgart (FamRZ 2022, 1292 m. Anm. Reuß = NJW 2022, 2050 = FamRB 2022, 305 m. Hinw. Schwomberg) hat die Frage bejaht, ob ein privater Samenspender, der mit einem verheirateten weiblichen Paar die Zeugung eines Kindes vereinbart hat, als rechtlicher Vater festgestellt werden kann, wenn nach der Geburt des Kindes Streit um die Besetzung der zweiten Elternstelle entsteht. Es handelt sich nicht um den in § 1600g Abs. 4 BGB beschriebenen Fall, der eine Vaterschaftsanerkennung ausschließt. Das OLG hat keinen Zweifel daran, dass die Anwendung der §§ 1600d, 1592 Nr. 1 BGB im Falle einer sog. Becherspendung zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt.
b) Vaterschaftsfeststellung nach erfolgter Adoption
Das OLG Celle (MDR 2022, 1289) vertritt die Auffassung, dass einem zulässigen Antrag des potenziellen biologischen Vaters auf Feststellung seiner Vaterschaft die zuvor erfolgte Adoption des Kindes nicht entgegensteht, da die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft sowie die Adoption unterschiedliche rechtliche Bezugspunkte aufweisen.
Das Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d Abs. 1 BGB ist bei fehlender rechtlicher Vaterschaft nach den §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB darauf gerichtet, die Vaterschaft bzw. Elternschaft eines Mannes zu dem Kind gerichtlich zu etablieren. Demgegenüber beruhe die Adoption auf einem staatlichen Hoheitsakt, durch die keine Vaterschaft i.S.v. § 1592 BGB begründet werde. Die Feststellung der Vaterschaft nach erfolgter Adoption ist jedenfalls auch unter dem Aspekt der Gewährleistung des Rechts auf Kenntnis der Abstammungsverhältnisse gerechtfertigt.