1. Zuordnung
Im Versorgungsausgleich sind gem. § 2 VersAusglG ausgleichspflichtig Anrechte auf Versorgung wegen Alters, Invalidität bzw. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, wobei anhand der jeweiligen Ausgestaltung der Versorgungsordnung oder des Einzelvertrags danach zu unterscheiden ist, ob die Anrechte Versorgungs- oder Entgeltscharakter haben.
a) Ausübung des Kapitalwahlrechts bei privater Rentenversicherung
Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterliegen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich. Das OLG Hamm (FamRZ 2022, 1682 = NJW 2022, 2052) stellt klar, dass dies selbst dann der Fall ist, wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wurde (vgl. BGH FamRZ 2012, 1039).
b) Kommunaler Pflichtehrensold
Das OLG Nürnberg (FamRZ 2022, 1020) hebt hervor, dass für die Annahme einer Versorgung wegen Alters erforderlich ist, dass das betreffende Anrecht wegen Erreichung eines bestimmten Lebensalters zur Versorgung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Arbeitslebens und nicht etwa als reine Kompensationszahlung für den Verlust der Beschäftigung als Überbrückungs- oder Übergangsgeld oder als Vermögensanlage gewährt wird.
Daher handelt es sich bei dem Pflichtehrensold nach dem bayrischen Gesetz über kommunale Wahlbeamte und -beamtinnen um ein solches Anrecht, da es nach den in Art. 59 Abs. 1 S. 3 KWBG normierten Leistungsvoraussetzungen Versorgungscharakter hat und auf Arbeit beruht und nicht lediglich eine Treueprämie darstellt. Dem steht ein Widerrufsvorbehalt nicht entgegen.
c) Grundrentenzuschlag
Nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. (FamRZ 2022, 1351 = NJW 2022, 2763) ist das Anrecht aus § 76g SGB VI (Entgeltpunkte für langjährige Versicherung) kein nach § 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht. Zwar sei dieser Zuschlag ein Anrecht i.S.d. Versorgungsausgleichs, er erfülle aber nicht die in § 2 Abs. 2 VersAusglG definierten qualitativen Voraussetzungen unter denen ein Anrecht dem Versorgungsausgleich unterliegt und die sämtlich erfüllt sein müssen. Der Zuschlag einerseits und die Rente aus dem Zuschlag andererseits werden nur gewährt, wenn die geleistete Arbeit ohne den Zuschlag zu einer nicht angemessenen Absicherung im Alter führt, die durch den Zuschlag kompensiert werden soll. Damit enthalte die Regelung sowohl eine Arbeits- als auch eine Sozialausgleichskomponente, die gegen einen Ausgleich im Versorgungsausgleich spreche. Auch wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung von einem Ausgleich des Anrechts im Versorgungsausgleich ausgegangen sei, könne der Grundrentenzuschlag nicht als auszugleichendes Anrecht nach § 2 Abs. 2 VersAusglG qualifiziert werden.
2. Zuschlag von Grundrentenentgeltpunkten
Am 1.1.2021 ist das Grundrentengesetz in Kraft getreten. Eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Person erhält nunmehr einen Zuschlag an Entgeltpunkten, wenn er eine Grundrentenzeit von mind. 33 Jahren zurückgelegt hat und der Durchschnittswert der während der Grundrentenbewertungszeit je Kalendermonate erzielten Entgeltpunkte hinter einem im Gesetz näher bestimmten Wert zurückbleibt. Mit dem Ausgleich des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung haben sich mehrere OLG befasst: OLG Koblenz (FamRZ 2022, 1766 = FamRB 2022, 256 m. Hinw. Siede), OLG Frankfurt a.M. (FamRZ 2022, 1767 = FamRB 2022, 431); OLG Bamberg (FamRZ 2022, 1767 = FamRB 2022, 431), OLG Oldenburg (FamRZ 2022, 1767 = FamRB 2022, 431), OLG Braunschweig, OLG Nürnberg (FamRB 2022, 431) sowie OLG Celle (FamRB 2022, 256).
Übereinstimmend gehen die OLGe davon aus, dass der Teil des Anrechts, der auf die Entgeltpunkte beruht und der sich daraus ergebende Teil der gesetzlichen Rentenversicherung, jeweils eigenständig zu bewerten und im Wege der internen Teilung auszugleichen ist.
Der Zuschlag ist nicht ausgleichsreif, wenn mit hinreichender Sicherheit absehbar ist, dass der Ausgleichsberechtigte aufgrund der Einkommensanrechnung gem. § 97a SGB VI aus dem übertragenen Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten keine Versorgung erhalten kann. Die beiden Anrechtsteile sind nicht gleichartig i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Bezieht die ausgleichspflichtige Person noch keine Rente, ist nach Auffassung des OLG Oldenburg der Grundrentenzuschlag i.d.R. noch nicht hinreichend verfestigt (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG).
Das OLG Bamberg weist darauf hin, dass eine fehlende Ausgleichsreife wegen Unwirtschaftlichkeit gem. § 19 Abs. 2 VersAusglG nicht vorliegt, wenn die Nichtteilhabe an dem zu übertragenden Anrechtsteil aus dem Grundrentenzuschlag nicht mit ausreichender Sicherheit zum Entscheidungszeitpunkt prognostiziert werden kann.
Zu prüfen bleibt die Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG, wonach das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen soll.
3. Ausschluss oder Beschränkung
Nach § 27 VersAusglG findet ein Ausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die Gesamtumstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
a) Teilhabegerechtigkeit
Wie das OLG Hamm (FamRZ 2022, 1682 = NJW 2022, 2052 = FamRB 2022, 434 m. Hinw. Adamus) erläutert, soll die Härteklausel als A...