Besondere Bedeutung für die zu treffende Prognoseentscheidung haben auch Vollzugslockerungen, etwa Freigänge, Hafturlaube oder eine Unterbringung im offenen Vollzug. Das Verhalten des Verurteilten anlässlich solcher Belastungsproben stellt einen geeigneten Indikator für die künftige Legalbewährung dar (BVerfG, a.a.O.). Wenn er sich hier „vorbewährt”, erhöhen sich die Chancen auf eine positive Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in aller Regel deutlich (MüKOStGB/Groß/Kett-Straub, a.a.O.).
Allerdings sind Vollzugslockerungen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung, es sei denn der Verurteilte neigt dazu, Gesetze zu brechen oder er ist zwar guten Willens, aber charakterlich möglicherweise zu schwach, um den außerhalb der Anstalt vorhandenen Versuchungen zu widerstehen (KG NStZ 2007, 706).
Hinweis:
Werden dem Verurteilten Lockerungen nicht gewährt, wird häufig vorgebracht, dass dies rechtswidrig gewesen sei (SSW-StGB/Claus, § 57, Rn 20). Wird dies unter Schilderung erheblicher Umstände vorgetragen, muss sich das Gericht hiermit im Rahmen seiner Entscheidung nach § 57 StGB auseinandersetzen (BVerfG a.a.O). Stellt sich heraus, dass die Lockerungen tatsächlich zu Unrecht verweigert wurden, darf dies dem Verurteilten im Hinblick auf seine Legalprognose nicht zum Nachteil gereichen (Fischer, § 57 StGB, Rn 17); es gibt aber keinen Automatismus dahingehend, dass die fehlerhafte Ablehnung von Lockerungen stets zu einer günstigen Prognose führt (OLG Jena NStZ-RR 206, 354).
Demgegenüber wirkt sich Fehlverhalten des Verurteilten im Vollzug regelmäßig nachteilig aus. Kommt es in der Anstalt zu nicht nur unerheblichen Vorkommnissen, ist es der Strafvollstreckungskammer verwehrt, eine bedingte Haftentlassung auf einen i.R.d. Anhörung gewonnenen positiven Eindruck oder sonstige positive Umstände zu stützen, ohne sich mit den negativen Gesichtspunkten zu befassen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.6.2021 – 1 Ws 66/21). Dies gilt insb. dann, wenn der Verurteilte im Strafvollzug neuerliche Straftaten begeht, etwa Körperverletzungsdelikte zum Nachteil von Mitgefangenen oder Justizbediensteten, oder wenn er durch Rauschgiftschmuggel auffällt. Werden sogar im abgegrenzten Bereich einer Justizvollzugsanstalt Straftaten begangen, erscheint eine günstige Prognose kaum vorstellbar.
Es können jedoch auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsschwelle wie etwa ein nachhaltig querulatorisches Verhalten, aktive Beteiligung am Aufbau subkultureller Strukturen, die auf Belohnungs- oder Einschüchterungssystemen beruhen oder ein rücksichtloses Durchsetzen eigener Interessen gegenüber schwächeren Gefangenen einer günstigen Prognose entgegenstehen (Fischer, § 57 StGB, Rn 15a). Auch ein allgemein aggressives Verhalten im Vollzug darf in die Erwägungen einbezogen werden (BGH, Beschl. v. 22.2.2022 – StB 1/22). Gleiches gilt, wenn sich der Verurteilte als nicht absprachefähig und unzuverlässig erwiesen hat (KG NStZ-RR 2008, 157).