Mit einem unter diese Grundsätze nicht ganz eindeutig einzuordnenden Sachverhalt hatte sich vor Kurzem das OLG Karlsruhe in seinem Beschl. v. 9.6.2023 – 15 W 20/22 (NJW-Spezial 2023, 635) zu befassen.
In jenem Fall hatte die in Forbach in der Nähe von Baden-Baden wohnhafte Klägerin vor dem LG Baden-Baden gegen den Träger des Kreiskrankenhauses und die behandelnden Ärzte Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Sie hat sich in beiden Instanzen durch Fachanwälte für Medizinrecht mit Kanzlei in Bonn vertreten lassen. Diese sind zu den Verhandlungsterminen am 22.2.2002 und 2.4.2004 vor dem LG Baden-Baden und am 28.9.2005 im Berufungsverfahren vor dem OLG Karlsruhe von Köln zu den jeweiligen Gerichten angereist. Der Rechtsstreit endete durch das Berufungsurteil des OLG Karlsruhe v. 26.10.2005, in dem die Beklagten u.a. im Wege der Feststellung auch zum Ersatz künftigen materiellen Schadens verurteilt wurden. Von den Kosten des Rechtsstreits hat das OLG Karlsruhe der Klägerin 1/13 und den Beklagten als Gesamtschuldner 12/13 auferlegt. Mit ihrem Antrag v. 6.12.2005 hat die Klägerin die Ausgleichung ihrer Kosten beantragt. Anstelle der weit höheren tatsächlich angefallenen Fahrtkosten ihrer Bonner Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin für die Wahrnehmung der drei Verhandlungstermine entsprechend der seinerzeit maßgeblichen Rechtsprechung lediglich fiktive Terminsreisekosten von Forbach nach Baden-Baden bzw. Karlsruhe geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG Baden-Baden hat in ihren Kostenausgleichungsbeschlüssen v. 10.2.2006 für die zweite Instanz und v. 17.3.2006 für die erste Instanz diese Terminsreisekosten antragsgemäß berücksichtigt.
Am 17.5.2021, berichtigt am 17.7.2021, hat die Klägerin – soweit hier von Interesse – die Nachfestsetzung von 12/13 der Terminsreisekosten ihrer Bonner Prozessbevollmächtigten beantragt. Diesen Antrag hat sie damit begründet, wegen der Änderung der Rechtsprechung seien die Terminsreisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten bis zur größtmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig. Die jeweiligen Differenzbeträge hat sie zur Nachfestsetzung angemeldet.
Die hierzu gehörten Beklagten haben dem Nachfestsetzungsantrag die Einrede der Verwirkung entgegengehalten.
Durch Beschl. v. 28.12.2021 hat die Rechtspflegerin des LG Baden-Baden diesen Nachfestsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der nunmehr geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch sei verwirkt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hatte – soweit dies die Terminsreisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten betraf – überwiegend Erfolg.
a) Nachfestsetzung zulässig
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe war die Nachfestsetzung zulässig. Die Rechtskraft der beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 10.2.2006 und 17.3.2006 stehe dem nicht entgegen. Diese Rechtskraft beziehe sich nämlich nur auf die mit den ursprünglichen Kostenausgleichungsanträgen geforderten und in den Kostenausgleichungsbeschlüssen beschiedenen Beträge. Folglich hindere eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils des Kostenerstattungsanspruchs bezüglich desselben Postens die Nachfestsetzung nicht (BGH AGS 2010, 580 = zfs 2011, 101 mit Anm. Hansens = RVGreport 2011, 28 [Hansens]). Soweit die Beträge nicht bereits mit den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 10.2.2006 und 17.3.2006 festgesetzt oder rechtskräftig aberkannt worden seien, hindere deshalb die Rechtskraft dieser Beschlüsse eine Nachfestsetzung nicht.
b) Terminsreisekosten in diesem Umfang bisher nicht beantragt
Das OLG Karlsruhe hat darauf hingewiesen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit ihrem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag die tatsächlichen und höheren Terminsreisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten nur in Höhe fiktiver Reisekosten von dem Wohnsitz der Klägerin in Forbach nach Baden-Baden und Karlsruhe geltend gemacht hätten. Demgegenüber seien aufgrund der geänderten Rechtsprechung die Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig (s. BGH AGS 2018, 310 = zfs 2018, 524 mit Anm. Hansens = RVGreport 2018, 341 [Hansens]). Danach ist zwar die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO. Dies führt jedoch lediglich dazu, dass die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu erstatten sind. Folglich sind die tatsächlich angefallenen Terminsreisekosten der auswärtigen Prozessbevollmächtigten – hier von Bonn nach Baden-Baden und Karlsruhe – insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Kanzlei am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte. Das OLG Karlsruhe hat darauf hingewiesen, dass vorliegend die Klägerin naturgemäß bei ihrem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag v. 6.12.2005 die erst später ergangene Rechtsprechung des BGH noch nicht berücksicht...