a) Grundsätze
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühren kommt nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG nur dann in Betracht, wenn diese wegen desselben Gegenstands entstanden sind wie die Verfahrensgebühr. Dies hat der BGH bejaht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im kostenrechtlichen Sinne durch das Recht oder das Rechtsverhältnis definiert, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts i.R.d. ihm von seinem Mandanten erteilten Auftrags bezieht. Dabei ist keine formale, sondern eine wertende Betrachtungsweise angezeigt und auf die wirtschaftliche Identität abzustellen. Die Frage, ob eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit und die anschließende Klage in diesem Sinne denselben Gegenstand gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG betreffen, ist daher anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung zu entscheiden (vgl. BGH AGS 2007, 289 = RVGreport 2007, 220 [Hansens]; RVGreport 2008, 470 [ders.]; zfs 2012, 163, m. Anm. Hansens = AGS 2012, 227 = RVGreport 2012, 72 [ders.]; NJW-RR 2012, 313 = AGS 2012, 223 = RVGreport 2012, 118 [ders.]). Die Anrechnungsbestimmungen von Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 15a Abs. 1 RVG haben ihre Grundlage in dem geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand, den ein bereits vorgerichtlich mit der Angelegenheit befasster Rechtsanwalt hat (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 209; BGH ZIP 2023, 531, Rn 33 = JurBüro 2023, 386; AGS 2007, 289 = RVGreport 2007, 220 [Hansens]; NJW-RR 2012, 313 = AGS 2012, 223 = RVGreport 2012, 118 [ders.]).
b) Regulierung der Sachschäden und Einklagen der Anwaltskosten derselbe Gegenstand
In Anwendung dieser Grundsätze lag hier nach Auffassung des BGH die erforderliche Gegenstandsgleichheit vor. Gegenstand der von der Klägerin vorgerichtlich entfalteten anwaltlichen Tätigkeit war nämlich die Regulierung der der Leasinggesellschaft infolge der Beschädigung ihrer Fahrzeuge entstandenen Sachschäden einschließlich der dadurch entstehenden Rechtsanwaltskosten gegenüber der Beklagten.
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass der dem Geschädigten wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Schadensersatz grundsätzlich auch den Ersatz der zur Durchsetzung dieses Anspruchs erforderlichen Rechtsverfolgungskosten umfasst (BGH zfs 2020, 164 m. Anm. Hansens = AGS 2020, 148 = RVGreport 2020, 64 [Hansens]; VersR 2005, 558). Denn auch diese Kosten dienten letztlich der Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 BGB, vgl. BGH VersR 2005, 558). Dementsprechend hatte hier die Klägerin die Beklagte in ihren nach dem jeweiligen Unfall verfassten außergerichtlichen Schreiben nicht nur zum Ersatz des jeweils entstandenen Sachschadens, sondern darüber hinaus zur Erstattung der jeweils angefallenen Rechtsanwaltskosten aufgefordert.
c) Nur teilweise Gegenstandsgleichheit unschädlich
Der Umstand, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nur teilweise, nämlich nur hinsichtlich der auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Ansprüche, in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist, führt nach Auffassung des BGH zu keiner anderen Beurteilung. Der BGH hat darauf verwiesen, der Gesetzgeber habe den Fall, dass der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit nur zum Teil Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens wird, in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV RVG a.F. = Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV RVG n.F. ausdrücklich geregelt. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass eine Anrechnung auch bei Teilidentität der Gegenstände zu erfolgen hat.
d) Streitwertregelungen unbeachtlich
Ein Teil der Instanzgerichte hat sich mit der Begründung gegen eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im der vorliegenden Fallgestaltung gewandt, der für die Berechnung der Verfahrensgebühr maßgebliche Streitwert bestimme sich nach der Höhe der – den alleinigen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden – Ansprüche auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wohingegen diese Kosten in den für die Berechnung der jeweiligen Geschäftsgebühr maßgeblichen Gegenstandswert nicht werterhöhend eingeflossen sind (so LG Saarbrücken AGS 2007, 291; AG Rosenheim AGS 2020, 202, 203; AG Berlin-Mitte JurBüro 2015, 576). Dem ist der BGH nicht gefolgt. Er hat darauf verwiesen, die unterbliebene Berücksichtigung der Anwaltskosten bei der Geschäftsgebühr sei allein darauf zurückzuführen, dass die Kostenerstattungsansprüche außergerichtlich jeweils neben der unmittelbar auf Ersatz des Sachschadens gerichteten Hauptforderung geltend gemacht worden waren und von deren Bestehen abhängig sind. Sie hätten deshalb Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO dargestellt, die nach der genannten Bestimmung i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG bei der Bestimmung des Gegenstandswerts nicht zu berücksichtigen waren (s. BGH AGS 2009, 344; AGS 2020, 228).
Dies ändert nach Auffassung des BGH nichts daran, dass sich die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit der Klägerin auch auf die Regulierung der durch die Beschädigung der Fahrzeuge erforderlich gewordenen vorprozessualen Anwaltskosten bezogen hat. Zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche auf Ersatz der vo...