Um die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens zu vermeiden, stehen dem Rechtsanwalt zwei Möglichkeiten zur Verfügung.
a) Vereinbarung einer Vergütung für die Vertretung
Der Rechtsanwalt kann einmal mit dem Mandanten für die außergerichtliche Vertretung anstelle der sonst anfallenden Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG eine Vergütungsvereinbarung schließen. Für die Frage der Gebührenanrechnung ist der Inhalt einer solchen Vereinbarung unerheblich. Denn Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG bestimmt als grundlegende Voraussetzung, dass eine Geschäftsgebühr „entsteht”. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn der Mandant für die außergerichtliche Tätigkeit seines Rechtsanwalts keine Geschäftsgebühr schuldet.
Fraglich ist, wie sich eine Vergütungsvereinbarung auf den Dritten auswirkt, der sich beim Anfall einer Geschäftsgebühr gem. § 15a Abs. 3 RVG auf die Anrechnung berufen könnte. In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist es weitgehend anerkannt, dass dann auch der erstattungspflichtige Dritte nicht so zu stellen ist, als wäre die Anrechnung der Geschäftsgebühr vorzunehmen. Er muss dann dem Gegner die unverminderte Verfahrensgebühr erstatten (BGH AGS 2009, 523 = RVGreport 2009, 433 [Hansens]; BGH AGS 2015, 147 m. Aufsatz N. Schneider AGS 2005, 339 = zfs 2015, 106 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 72 [Hansens] unter Berücksichtigung der Kostenregelung in einem Vergleich; und die OLG z.B. OLG München AGS 2009, 379 = RVGreport 2009, 266 [Hansens]; OLG Hamburg AGS 2015, 198 = RVGreport 2015, 151 [ders.] = zfs 2015, 226 m. Anm. Hansens). Dies wird damit begründet, dass § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen abstellt und somit auch erstattungsrechtlich nur die gesetzliche Gebührenanrechnung berücksichtigt werden kann und außerdem § 91 ZPO keine Erweiterung der Anrechnung bei vereinbarten Honoraren vorsieht.
Demgegenüber sehen insbesondere Finanz- und Verwaltungsgerichte eine Vergütungsvereinbarung für die außergerichtliche Tätigkeit oder für die Tätigkeit im Vorverfahren als Vertrag zulasten Dritter, also des Erstattungspflichtigen, an und berücksichtigen die eigentlich gar nicht eingreifenden Anrechnungsvorschriften im Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten des Dritten (OVG Berlin-Brandenburg NJW-Spezial 2022, 61; VGH Hessen, Beschl. v. 27.6.2013 – 6E 600/12VG; Leipzig AGS 2023, 226 [Hansens]; FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.8.2023 – 8 KO 8028/23).
b) Ausschluss der Anrechnung durch Vereinbarung
Die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten kann auch den – alleinigen – Inhalt haben, dass eine gesetzlich vorgesehene Gebührenanrechnung ausgeschlossen werden soll. Dann kann der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber ungeachtet der durch die Vereinbarung ausgeschlossenen Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG sowohl die Geschäfts- als auch die Verfahrensgebühr unvermindert in Rechnung stellen.
In der Rechtsprechung ist auch hier umstritten, ob sich der Erstattungspflichtige im Kostenfestsetzungsverfahren gleichwohl auf die Anrechnung berufen kann (bejahend LG Berlin AGS 2010, 461; KG – 27. Zivilsensat – AGS 2010, 509 = RVGreport 2010, 344 [Hansens]; verneinend KG – 5. Zivilsenat – AGS 2010, 511).