Anders ist dies jedoch beim Umstandsmoment. Ein Verwirkungstatbestand ist nur dann gegeben, wenn neben dem Zeitmoment auch das Umstandsmoment vorliegt. Im Rahmen des Umstandsmoments muss der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung davon ausgehen können, der Berechtigte werde sein vermeintliches Recht nicht mehr geltend machen. Dabei muss diese Annahme auf dem Verhalten des Berechtigten beruhen. Außerdem erfordert der Umstandsmoment, dass der Verpflichtete sich aufgrund des Vertrauenstatbestandes so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen wird.
Für die Prüfung der Frage, ob das Vorliegen des Umstandsmoments bejaht bzw. verneint werden kann, bedarf es der Abwägung von Gesichtspunkten, die sich nur teilweise aus den Akten ergeben und jedenfalls – so auch im Fall des OLG Karlsruhe (a.a.O.) – nicht unstreitig sind. In jenem Fall waren die Beklagten durch das Berufungsurteil im Wege der Feststellung auch zum Ersatz künftigen materiellen Schadens verurteilt worden. Sie konnten bereits deshalb nicht davon ausgehen, nicht weiter in Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin hatte mit ihrer sofortigen Beschwerde ferner darauf verwiesen, dass sie im Nachgang des ersten Rechtsstreits im Jahre 2016 einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten in einem weiteren Verfahren vor dem LG Baden-Baden geltend gemacht hätte. Dieses Verfahren sei erst im Jahr 2021 abgeschlossen worden. Hieraus konnten die Beklagten ersehen, dass die gesamte Angelegenheit noch nicht abgeschlossen war und sie noch mit einer abschließenden Kontrolle der Klägerin haben rechnen müssen, ob in den Verfahren wirklich sämtliche Kosten geltend gemacht worden seien, was geltend zu machen war. Die Klägerin hatte darauf hingewiesen, dass ihren Anwälten gerade anlässlich dieser Schlusskontrolle aufgefallen sei, dass sie eben noch nicht alle Kosten geltend gemacht hätte.
Angesichts dieses bis zum Jahre 2021 laufenden weiteren Rechtsstreits konnten die Beklagten nicht damit rechnen, dass sie wegen älterer Kostenerstattungsansprüche nicht noch in Anspruch genommen werden würden. Sie konnten im Hinblick auf das bis zum Jahr 2021 dauernde Verfahren zwischen den Parteien auch keine Vermögensdispositionen getroffen haben. Dies galt hier umso mehr, als für den hinter den Beklagten stehenden eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien anlässlich der Behandlung der Klägerin einen einzigen Versicherungsfall darstellen, sodass dieser Versicherer erst recht keine abschließende Vermögensdispositionen hat treffen können.
Gebührentipp:
Ob die Voraussetzungen der Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs vorliegen, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, die sich nicht aus den Gerichtsakten ergeben und von dem Erstattungspflichtigen im Festsetzungsverfahren erst vorgebracht werden müssen.
Bestreitet der Erstattungsberechtigte diesen Vortrag, ist er nicht unstreitig. Mit den einfachen Mitteln des Kostenfestsetzungsverfahrens kann dieser Streit in aller Regel nicht aufgeklärt werden, sodass dem Einwand der Verwirkung nicht weiter nachzugehen ist. Dies hat dann zur Folge, dass der Rechtspfleger den Einwand der Verwirkung unberücksichtigt lassen wird und er die Kosten dann festzusetzen hat. Dem Erstattungspflichtigen bleibt es dann unbenommen, seine Einwände mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (so bereits RG RGZ 75, 199, 201; BGH AGS 2007, 2019 = RVGreport 2006, 233 [Hansens]).
Der Prozessbevollmächtigte des Erstattungsberechtigten, dessen Gegner den Einwand der Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs erhebt, wird im Regelfall darauf hinweisen, dass dieser Einwand im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen ist. Selbst wenn der Erstattungspflichtige Umstände vorträgt, die den Umstandsmoment stützen sollen, kann der Rechtsanwalt des Erstattungsberechtigten guten Gewissens die Richtigkeit dieses Vorbringens bestreiten und unter Hinweis auf die Rechtsprechung darauf verweisen, dass dieser Streit im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu klären ist.