Unter welchen Voraussetzungen eine Nachfestsetzung von Kosten in Betracht kommt, habe ich ausführlich in den Gebührentipps II/2023 (ZAP 2023, 907, 912 ff.) erörtert. In der Praxis bemerkt der Erstattungsberechtigte meist erst nach Rechtskraft des von ihm beantragten und antragsgemäß erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses, dass er seinerzeit eine Kostenposition ganz oder zum Teil nicht geltend gemacht hat. Dann stellt sich die Frage, ob dies noch dadurch „repariert” werden kann, dass auf einen weiteren Kostenfestsetzungsantrag ein sog. Nachfestsetzungsbeschluss erwirkt wird. Ob dies Erfolg hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
1. Grundsätze der Nachfestsetzung
Ist der auf den ersten Kostenfestsetzungsantrag ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss rechtskräftig geworden, steht die materielle Rechtskraft dieses Beschlusses einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BGH BRAGOreport 2003, 57 [ders.] = JurBüro 2003, 260; BPatG zfs 2023, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2022, 521 [Hansens]). Demgegenüber sind versehentlich in einem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Posten der Nachliquidation zugänglich (BVerfG NJW 1995, 1886; BGH NJW 2009, 3104; FamRZ 2011, 1222; BGH RVGreport 2011,28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 m. zust. Anm. N. Schneider; OLG München MDR 2003, 55; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 m. zust. Anm. N. Schneider; LG Trier JurBüro 2012, 250; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 104, Rn 21.61 „Nachliquidation” m.w.N.).
Ob eine Nachfestsetzung zulässig ist, hängt somit entscheidend davon ab, ob im Einzelfall eine noch nicht geltend gemachte Kostenposition zur Nachfestsetzung angemeldet wird. Ist dies nicht der Fall und hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung und damit einer Nachfestsetzung zugänglich gewesen wäre. Über diesen Anspruch hat dann der Rechtspfleger rechtskräftig entschieden (so BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]).
1.2 2. Der Fall des OLG Karlsruhe
Mit einem unter diese Grundsätze nicht ganz eindeutig einzuordnenden Sachverhalt hatte sich vor Kurzem das OLG Karlsruhe in seinem Beschl. v. 9.6.2023 – 15 W 20/22 (NJW-Spezial 2023, 635) zu befassen.
In jenem Fall hatte die in Forbach in der Nähe von Baden-Baden wohnhafte Klägerin vor dem LG Baden-Baden gegen den Träger des Kreiskrankenhauses und die behandelnden Ärzte Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Sie hat sich in beiden Instanzen durch Fachanwälte für Medizinrecht mit Kanzlei in Bonn vertreten lassen. Diese sind zu den Verhandlungsterminen am 22.2.2002 und 2.4.2004 vor dem LG Baden-Baden und am 28.9.2005 im Berufungsverfahren vor dem OLG Karlsruhe von Köln zu den jeweiligen Gerichten angereist. Der Rechtsstreit endete durch das Berufungsurteil des OLG Karlsruhe v. 26.10.2005, in dem die Beklagten u.a. im Wege der Feststellung auch zum Ersatz künftigen materiellen Schadens verurteilt wurden. Von den Kosten des Rechtsstreits hat das OLG Karlsruhe der Klägerin 1/13 und den Beklagten als Gesamtschuldner 12/13 auferlegt. Mit ihrem Antrag v. 6.12.2005 hat die Klägerin die Ausgleichung ihrer Kosten beantragt. Anstelle der weit höheren tatsächlich angefallenen Fahrtkosten ihrer Bonner Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin für die Wahrnehmung der drei Verhandlungstermine entsprechend der seinerzeit maßgeblichen Rechtsprechung lediglich fiktive Terminsreisekosten von Forbach nach Baden-Baden bzw. Karlsruhe geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG Baden-Baden hat in ihren Kostenausgleichungsbeschlüssen v. 10.2.2006 für die zweite Instanz und v. 17.3.2006 für die erste Instanz diese Terminsreisekosten antragsgemäß berücksichtigt.
Am 17.5.2021, berichtigt am 17.7.2021, hat die Klägerin – soweit hier von Interesse – die Nachfestsetzung von 12/13 der Terminsreisekosten ihrer Bonner Prozessbevollmächtigten beantragt. Diesen Antrag hat sie damit begründet, wegen der Änderung der Rechtsprechung seien die Terminsreisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten bis zur größtmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig. Die jeweiligen Differenzbeträge hat sie zur Nachfestsetzung angemeldet.
Die hierzu gehörten Beklagten haben dem Nachfestsetzungsantrag die Einrede der Verwirkung entgegengehalten.
Durch Beschl. v. 28.12.2021 hat die Rechtspflegerin des LG Baden-Baden diesen Nachfestsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der nunmehr geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch sei verwirkt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hatte – soweit dies die Terminsreisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten betraf – überwiegend Erfolg.
a) Nachfestsetzung zulässig
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe war die Nachfestsetzung zulässig. ...