Seit etlichen Jahren bewegt das in der Berufsordnung verortete Fremdbesitzverbot die Gemüter, mal mehr und mal weniger stürmisch. So hatte sich beispielsweise der DAV veranlasst gesehen, bei Herrn Professor Dr. Martin Henssler im Vorgriff auf die seinerzeit bereits in der Bearbeitung befindliche Berufsrechtsreform ein Gutachten zu erstellen, das sich auch mit der Frage der Aufhebung, zumindest aber der Lockerung des Fremdbesitzverbots beschäftigt.
Das Ergebnis dieses Gutachtens, das unter bestimmten Voraussetzungen zumindest eine Lockerung vorsah, hat dem Thema neue Nahrung verschafft, obwohl es bei der sog. großen BRAGO-Reform von 2022 im Kern unberührt gelassen blieb.
So richtig in Schwung kam die Diskussion dann allerdings durch ein beim EuGH anhängiges Verfahren, das sich mit der Frage beschäftigen soll, ob das Verbot mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Aber auch das Bundesjustizministerium sieht sich veranlasst, einer Frage der Lockerung oder Aufhebung des Verbots nachzugehen.
Die BRAK ihrerseits hat eine Umfrage durchgeführt, die zwar von einem recht klaren Ergebnis, aber auch von einer auffallend geringen Beteiligungsquote geprägt ist. Demgemäß soll hier nicht weiter über den technischen Ablauf der Befragung, der daran geäußerten Kritik oder auf das Ergebnis näher eingegangen werden.
Die geringe Beteiligungsquote lässt sich sicherlich, je nachdem aus welcher Ecke man argumentiert, als Beleg für eine Unverwertbarkeit anführen, oder aber auch als Zeichen dafür, dass sich die Anwaltschaft mit ganz anderen Problemen beschäftigt, als mit der Notwendigkeit Fremdkapital in Anspruch zu nehmen. Bei letzterer Betrachtung kann einem jedenfalls Montesquieu in den Sinn kommen, der einst zutreffend formulierte, dass die Notwendigkeit, kein Gesetz zu erlassen, immer dann besteht, wenn es keine Notwendigkeit gebe, ein Gesetz zu erlassen.
Kaum ausgeleuchtet wird nämlich bislang die Frage, wer denn ein – berechtigtes – Interesse an der Aufhebung des Fremdbesitzverbots haben könnte.
Relativ einfach lässt sich dies bei den Rechtsschutzversicherungen beantworten, die schon seit vielen Jahren geradezu sehnsüchtig auf eine derartige Gesetzesänderung warten und praktisch allesamt fertige Pläne in der Schublade vorhalten, beim Fall des Verbots Kanzleien zu erwerben, um mit den dort beschäftigten Anwälten den Rechtsschutz (möglichst preiswerter) zur Verfügung stellen zu können.
Großbritannien, wo es das Fremdbesitzverbot seit geraumer Zeit nicht mehr gibt, hat dies sehr nachdrücklich unter Beweis gestellt, als es dort bereits Kanzleien im Besitz von Rechtsschutzversicherungen gibt.
Vertreter von Großkanzleien oder zumindest größeren Kanzleien, die sich besonders nachhaltig für eine Gesetzesänderung aussprechen, behaupten allerdings erstaunlicherweise auf Befragen, dass man selbst kein Fremdkapital benötige, sondern durchaus in der Lage sei, auch bei sog. Transaktionsgeschäften (M&A-Mandate) ausreichende Finanzierung zu gewährleisten. Bei kleinen und mittleren Kanzleien ist ebenfalls kein eindeutig vernehmbarer Ruf festzustellen, etwa für die Kanzlei-Modernisierung Fremdkapital zu erhalten. Allerdings sind es übrigens lustigerweise die sog. Legal-Tech-Unternehmen, die sich zum Fürsprecher gerade solcher Kanzleien gerieren, mit der Begründung, man müsse doch auch solchen Kanzleien die Möglichkeit eröffnen, sich finanziell den Herausforderungen der Digitalisierung mithilfe von Fremdkapital zu stellen.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt, insbesondere dann, wenn man weiß, dass dem oben erwähnten EuGH-Verfahren der Fall eines Legal-Tech-Unternehmens zugrunde liegt, das eine Anwaltskanzlei übernehmen bzw. sich hieran beteiligen wollte.
Es bleiben die Investoren, von denen bislang allerdings bisher nicht gehört worden ist, dass sie am Ankauf kleinerer oder mittlerer Kanzleien oder an der Beteiligung an solchen ein auffälliges Interesse gezeigt hätten. Wie auch, wenn von den Befürwortern einer Gesetzesänderung treuherzig immer wieder versichert wird, dass die Unabhängigkeit der Anwälte einer solchen Kanzlei nicht gefährdet sei bzw. durch entsprechende Vereinbarungen gewährleistet bleiben könnte.
Fragt sich dann nur, welcher profitorientierte Investor sein Kapital für ein Unternehmen zur Verfügung stellen will, dessen Einfluss hierauf ihm versagt werden soll.
Resümee
Wenn man der Rechtsschutzversicherungsbranche nicht ein verspätetes Weihnachtsgeschenk machen will, soll und kann man es gemäß dem oben zitierten Montesquieu bei der jetzigen Gesetzeslage belassen.
ZAP F., S. 89–90
Rechtsanwalt und Notar a.D. Herbert P. Schons, Duisburg