aa) Vertragsänderungsvereinbarungen anlässlich eines Besuchs des Wohnungsunternehmers
Sofern der Wohnungsunternehmer oder ein in seinem Namen oder Auftrag handelnder Dritter den Wohnraummieter in seiner Wohnung aufsucht und dort mit ihm eine Vertragsänderung vereinbart, handelt es sich bei der Vereinbarung um einen Außergeschäftsraumvertrag i.S.d. § 312b BGB. Auch hat die Änderungsvereinbarung eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand, da sie sich auf den entgeltlichen Mietvertrag bezieht (vgl. MüKo-BGB/Artz, § 557 BGB Rn. 34; Mediger, demnächst NZM 2015, Heft 6). Hier steht dem Wohnraummieter dementsprechend hinsichtlich der Änderungsvereinbarung ein Widerrufsrecht zu, was allerdings nicht erst seit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie der Fall ist, sondern unter Berücksichtigung des enger gefassten Begriffs der Haustürsituation, bereits der alten Rechtslage entsprach (vgl. etwa OLG Koblenz, Rechtsentscheid v. 9.2.1994 – 4 W-RE 456/93, NJW 1994, 1418; MüKo-BGB/Artz, § 557 BGB Rn. 33). Dass dem Wohnraummieter hinsichtlich der Vertragsänderung ein Widerrufsrecht zusteht, entspricht grundsätzlich auch dem Sinn und Zweck des haustürgeschäftlichen Widerrufsrechts, denn hier kann eine entsprechende Überrumpelungssituation vorliegen (RegE BT-Drucks. 17/12637, S. 48).
bb) Vertragsänderungsvereinbarungen mittels Fernkommunikation
Häufig werden Wohnungsunternehmer den Wohnraummieter allerdings nicht in dessen Wohnung aufsuchen, um Vertragsänderungen zu vereinbaren. In den überwiegenden Fällen dürfte sich der Wohnungsunternehmer vielmehr per Brief oder E-Mail an den Wohnraummieter wenden. Erfolgt die Kommunikation zwischen Wohnungsunternehmer und Wohnraummieter ausschließlich per Fernkommunikationsmittel – also etwa via Brief, Telefon oder E-Mail – kommt auf den ersten Blick eine Qualifikation des Vertrags als Fernabsatzvertrag in Betracht (auch diesbezüglich hat sich die Rechtslage allerdings nicht durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie geändert, vgl. zur alten Rechtslage etwa MüKo-BGB/Artz, § 557 BGB, Rn. 37). Damit es sich bei einem entsprechenden Vertrag allerdings um einen Fernabsatzvertrag handelt, ist neben der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln auch erforderlich, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Insbesondere große Wohnungsunternehmer nutzen für die Verwaltung ihrer Mietverträge häufig umfassende EDV-Systeme, auf welche sie auch für Vertragsänderungen zurückgreifen. Darin könnte man nun ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem sehen.
Dem scheint auch der Sinn und Zweck der Voraussetzung eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems – der unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung häufig im Ausschluss von Fällen gesehen wird, in denen der Vertragsschluss nur ausnahmsweise und zufällig als Distanzgeschäft erfolgt ist (vgl. statt vieler Schulze/Schulte-Nölke, § 312c BGB Rn. 8) – nicht entgegenzustehen. Denn in Fällen, in denen ein Wohnungsunternehmer für die Vertragsänderungsvereinbarung auf ein entsprechendes EDV-System zurückgreift, um etwa von sämtlichen Mietern per Brief eine Mieterhöhung zu verlangen, werden die daraus resultierenden Änderungsverträge wohl kaum als "ausnahmsweise und zufällig mittels Distanzgeschäft erfolgt" einzustufen sein.
Bei genauer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass der Gesetzgeber unter dem "für den Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystem" etwas anderes verstanden hat, als EDV-Systeme, die Wohnungsunternehmer zur Verwaltung ihres Wohnungsbestands nutzen. Vornehmlich hatte der Gesetzgeber Konstellationen wie den klassischen Katalogversandhandel, den Onlineshop und das Teleshopping vor Augen, in denen der Unternehmer dem Verbraucher nach einer entsprechenden invitatio ad offerendum die Möglichkeit eröffnet, seinerseits Vertragsschlussangebote bequem per Fernkommunikationsmittel abzugeben und in denen auch die Annahme durch Fernkommunikationsmittel erfolgt (vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 16).
In diesem Sinne sind auch die Begriffe Vertriebssystem und Dienstleistungssystem in § 312c BGB zu verstehen. Der Begriff des Vertriebssystems beschreibt eine auf Dauer angelegte Organisationsform des Absatzes der vom Unternehmer angebotenen Leistungen (vgl. Bülow/Artz NJW 2000, 2049, 2053). Das Vertriebssystem bezeichnet also die systematisch genutzten Absatzkanäle, wobei Absatzkanal hier im Sinne von Kommunikationskanal für das Leistungsangebot gemeint ist (vgl. Mankowski ZMR 2002, 317; in diesem Sinne auch Mediger, demnächst NZM 2015, Heft 6). Auf den Fernabsatz ist das Vertriebssystem ausgerichtet, wenn der Unternehmer die strukturellen Voraussetzungen geschaffen hat, um zur Absatzsteigerung (auch) Vertragsschlüsse zwischen ihm und seinen Kunden ohne (vorherigen) persönlichen Kontakt zu ermöglichen (Meents spricht in diesem Zusammenhang vom "systematischen Anbieten" der Leistung im Fernabsatz, vgl. CR 2000, 610, 611).
Da der Absatz von Dienstleistungen ebenfalls möglich i...