Ein Widerrufsrecht des Mieters kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen der Mieter Verbraucher i.S.d. § 13 BGB (im folgenden Wohnraummieter) und der Vermieter Unternehmer gem. § 14 BGB (im folgenden Wohnungsunternehmer) ist (zur Frage wann diese persönlichen Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sind, s. unter IV.). Diese Fallkonstellation unterstellt, ist es sowohl beim Vertragsschluss (hierzu sogleich unter 1.) als auch im laufenden Mietvertrag (dazu unter 2.) denkbar, dass dem Wohnraummieter ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB zusteht.

1. Widerrufsrecht bei Vertragsschluss

Zur Beruhigung der derzeitig geführten Diskussion in aller Deutlichkeit vorweg: Im praktischen Regelfall, bei dem der Abschluss des Wohnraummietvertrags nach einer Besichtigung der Wohnung durch den Mieter erfolgt, kann der Wohnraummieter den Mietvertrag mit dem Wohnungsunternehmer auch dann nicht nach § 312g BGB widerrufen, wenn die situativen Voraussetzungen einer der Besonderen Vertriebsformen erfüllt ist. In der Vielzahl von Fällen besteht daher, anders als mitunter propagiert, kein Widerrufsrecht. Dies ergibt sich aus § 312 Abs. 4 S. 2 BGB. Danach ist das Widerrufsrecht bei Verträgen über die Begründung eines Mietverhältnisses ausgeschlossen, wenn der Mieter die Wohnung vor Vertragsschluss besichtigt hat (vgl. auch HK-BGB/Schulte-Nölke, § 312 Rn. 25). Hierbei ist es ausreichend, wenn die Besichtigung dem Vertragsschluss unmittelbar vorausgegangen ist (RegE BT-Drucks. 17/12637, S. 48). Es muss dem Mieter keine Bedenkzeit eingeräumt werden. Nach der Gesetzesbegründung kann ein Vertragsschluss in der Wohnung erfolgen, ohne dass hierbei zwingend auch die Voraussetzungen der Besichtigung erfüllt sind (RegE BT-Drucks. 17/12637, S. 48). Daraus folgt, dass eine Besichtigung mehr erfordert, als das bloße Betreten der Wohnung.

Von einer Besichtigung kann man demnach erst sprechen, wenn der Wohnungsmieter die konkrete Wohnung zur Begutachtung betritt und ihm dabei sämtliche Räume zur ausreichenden Inspektion zugänglich sind (zutreffend weist Mediger darauf hin, dass der Mieter allerdings nicht auch jeden Raum tatsächlich erkundet und intensiv geprüft haben muss, demnächst NZM 2015, Heft 6).

Allerdings wird man es vor dem Hintergrund der mangelnden Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers als Besichtigung ausreichen lassen müssen, wenn diese nicht durch den Verbraucher persönlich, sondern durch einen von ihm benannten Dritten erfolgt (dieser Rechtsgedanke liegt auch der Regelung des § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB zugrunde; a.A. Mediger, demnächst NZM 2015, Heft 6; Horst DWW 2015, 2, 8 weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf eine u.U. ebenfalls in Betracht kommende Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 2 BGB hin).

 

Hinweis:

Wurde die Wohnung nicht vorab besichtigt, steht dem Wohnraummieter allerdings hinsichtlich des Mietvertrags ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB zu, sofern die situativen Voraussetzungen des Außergeschäftsraumvertrags bzw. des Fernabsatzvertrags vorliegen (Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 312 BGB n.F. Rn. 25).

Die situativen Voraussetzungen des Außergeschäftsraumvertrags sind etwa in den nicht unüblichen Konstellationen, in denen der Vertrag zwischen Wohnraummieter und Wohnungsunternehmer in der Mietwohnung geschlossen wird, regelmäßig erfüllt (vgl. RegE BT-Drucks 17/12637, S. 48). Denn durch die negative Bestimmung des Anwendungsbereichs (Ort, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist) wird die Mietwohnung zweifelsfrei von der Regelung erfasst, obwohl es sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht um die Privatwohnung des Mieters handelt. Die Voraussetzungen des Außergeschäftsraumvertrags sind selbst dann erfüllt, wenn der Wohnungsunternehmer nicht persönlich anwesend ist, sondern etwa ein von ihm beauftragter Makler den Vertrag für ihn abschließt. Denn wie sich aus § 312b Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, reicht es aus, wenn Personen, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handeln, beim Vertragsschluss persönlich anwesend sind (Auftrag ist hier im untechnischen Sinne zu verstehen, vgl. Brinkmann/Ludwigkeit NJW 2014, 3270, 3275).

Aber auch in den – vermutlich zukünftig bedeutsamer werdenden – Fällen, in denen der Vertragsschluss (ohne vorherige Besichtigung) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt, kommt die Widerruflichkeit der auf die Begründung des Mietvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers in Betracht. Insoweit hat sich die Rechtslage allerdings durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie nicht geändert, weshalb es erstaunt, dass die Problematik nun derart intensiv diskutiert wird (vgl. schon Mankowski ZMR 2002, 317, 321).

 

Hinweis:

Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt nach §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 3 BGB ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Vertrag geschlossen wurde und der Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ordnungsgemäß belehrt wurde. Ohne Belehrung erlischt das Widerrufsrecht gem. § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erst nach zwöl...

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