I. Einleitung
Die Umsetzung der Richtlinie über Rechte der Verbraucher, sog. Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU), hat zu nicht unerheblichen Änderungen im Recht der Besonderen Vertriebsformen geführt. In diesem Zusammenhang sind offenbar auch im Bereich des Wohnraummietrechts einige Unsicherheiten entstanden (s. nur den Beitrag von Schlößer "Neue Verbraucherrechterichtlinie – eine Vielzahl von Fällen ist betroffen" im Hamburger Grundeigentum 9/2014, S. 18). Zentrale mietrechtliche Veranstaltungen widmen dem Thema in diesem Jahr Plenumsvorträge: Hau, 17. Deutscher Mietgerichtstag 2015; Artz, 34. Fachgespräch – Mietrechtstage des ESWiD 2015. Viele der nunmehr diskutieren Fragen sind nicht neu (vgl. etwa schon Mankowski ZMR 2002, 317 zur Bedeutung des Fernabsatzgesetzes für die Wohnungswirtschaft), ein paar Probleme sind tatsächlich durch die Richtlinienumsetzung erst entstanden. Der vorliegende Beitrag setzt sich mit den Fragen auseinander, in welchen Fällen und Situationen einem Wohnraummieter ein verbraucherrechtliches Widerrufsrecht zusteht und welche Folgen die Ausübung des Widerrufs in diesen Fällen hat. Er mag auch dazu beitragen, die aktuelle Diskussion ein wenig zu beruhigen.
Hinweis:
Vorab ist klarzustellen, dass das Thema, obwohl im Hintergrund die Umsetzung einer Richtlinie der EU steht, hinsichtlich der Wohnraummiete zunächst keine unmittelbaren unionsrechtlichen Bezüge aufweist. Die Richtlinie über Verbraucherrechte schließt Wohnraummietverträge in Art. 3 Abs. 3 lit. f) ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich aus. Der deutsche Gesetzgeber hat Mietverträge dann im Wege der überschießenden Richtlinienumsetzung teilweise einbezogen. Wer daher angesichts der nun diskutierten Zweifelsfragen und Probleme vorschnell "auf Brüssel einschlägt", liegt falsch.
II. Änderungen und Konstanten im Recht der Besonderen Vertriebsformen
Mit dem Umsetzungsgesetz zur Verbraucherrechterichtlinie wurde das Recht der Besonderen Vertriebsformen zunächst neu geordnet. In den §§ 312 ff. BGB finden sich nun neben den Regelungen für Besondere Vertriebsformen auch allgemeine Grundsätze für Verbraucherverträge. Der als Einstiegnorm konzipierte § 312 BGB beschränkt den Anwendungsbereich der Vorschriften des Untertitels auf Verbraucherverträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Hinsichtlich der Definition von Verbraucherverträgen wird auf § 310 Abs. 3 BGB rekurriert, nach dem ein Verbrauchervertrag ein Vertrag zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) ist. Darüber, wie die Voraussetzung der entgeltlichen Leistung des Unternehmers zu verstehen ist, herrscht im Einzelnen Unklarheit (vgl. Hilbig-Lugani ZJS 2013, 441, 444). Die Regelung wird aber wohl dahingehend zu verstehen sein, dass eine Einschränkung auf Verträge beabsichtigt ist, in denen der Unternehmer die vertragstypische Leistung an den Verbraucher erbringt (Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 4. Aufl. 2014, Rn. 86; Mediger, demnächst NZM 2015, Heft 6).
Das ehemals in § 312 BGB a.F. geregelte "Haustürgeschäft" befindet sich nun, unter der Bezeichnung "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag" (kurz Außergeschäftsraumvertrag), in stark modifizierter Form im § 312b BGB. Hier hat eine Änderung des Regelungskonzepts stattgefunden. An Stelle der positiven Aufzählung von konkreten Situationen, die eine entsprechende besondere Vertragsschlusssituation kennzeichnen, wird der Außergeschäftsraumvertrag nunmehr negativ bestimmt. Ein Außergeschäftsraumvertrag liegt u.a. immer dann vor, wenn der Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer an einem Ort geschlossen wurde, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist (§ 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB), bzw. wenn der Verbraucher unter diesen Umständen ein Angebot abgegeben hat (§ 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB). Geschäftsräume werden in § 312b Abs. 2 S. 1 BGB definiert als unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt (vgl. hierzu im einzelnen Brinkmann/Ludwigkeit NJW 2014, 3270).
Die Regelungen zum Fernabsatzvertrag, deren Standort sich von § 312b BGB a.F. in den § 312c BGB verschoben hat, sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Nach § 312c BGB sind Fernabsatzverträge solche Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Wie bisher ausgenommen sind solche Verträge, bei denen der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Hinweis:
Als Fernkommunikationsmittel gelten nach § 312c Abs. 2 BGB, ebenso wie bisher, alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind. Exemplarisch nennt das Gesetz in diesem Zusammenhang Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, SMS, Rundfunk und Telemedien.
N...