Wohl das politisch brisanteste Gesetz der neuen Regierung und zugleich wichtigster Bestandteil des Artikelgesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) v. 11.8.2014 (BGBl. I, S. 1348) ist das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG; s. zu Einzelheiten Spielberger/Schilling NJW 2014, 2897 ff.). Mit ihm wurde in Deutschland zum 1.1.2015 ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn i.H.v. 8,50 EUR pro Stunde eingeführt. Nach Berechnungen der Bundesregierung sollen von seiner Einführung 3,7 Millionen Beschäftigte unmittelbar profitieren. Über künftige Anpassungen des Mindestlohns, die alle zwei Jahre und erstmals zum 1.1.2017 möglich sind, werden die Spitzenverbände der Gewerkschaften und Arbeitgeber in einer unabhängigen Mindestlohn-Kommission beraten; diese soll sich insoweit an der Tarifentwicklung in Deutschland orientieren. Der Mindestlohn gilt ausnahmslos für alle Branchen und soll durch den Zoll streng kontrolliert werden. Um den Branchen, in denen es allgemeinverbindliche Tarifverträge mit deutlich niedrigeren Löhnen gibt, eine schrittweise Anpassung an den geltenden Mindestlohn zu ermöglichen, sieht § 24 MiLoG eine dreijährige Übergangszeit bis zum 31.12.2017 vor, in der Abweichungen nach unten erlaubt sind, wobei allerdings ab dem 1.1.2017 der tarifliche Mindestlohn 8,50 EUR betragen muss. Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn gilt ab dem 18. Geburtstag oder vorher bei abgeschlossener Berufsausbildung. Er erfasst grundsätzlich auch Praktika, sofern sie länger als drei Monate dauern. Zugleich schreibt das Gesetz erstmals einen Qualitätsrahmen für Praktika vor: Praktikanten müssen einen Vertrag mit klaren Praktikumszielen erhalten und haben Anspruch auf ein Zeugnis. Unternehmer, die Subunternehmer einschalten, trifft nach § 13 MiLoG eine bürgenähnliche Auftraggeberhaftung. Das Gesetz entfaltet Auswirkungen nicht nur im Niedriglohnsektor. Vielmehr ist jeder Arbeitnehmer Mindestlohnempfänger, da er nunmehr – ähnlich wie beim Urlaub – einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn hat, der sich nach den strengen Regeln des MiLoG richtet, und in Höhe des den Mindestlohn übersteigenden Betrags einen vertraglichen Anspruch, für den die allgemeinen Vorschriften gelten.
Das Gesetzespaket bringt außerdem wichtige Änderungen des TVG und des AEntG. So werden die Voraussetzungen, unter denen ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden kann, deutlich erleichtert. Der neu gefasste § 5 TVG verzichtet auf das bisherige 50 %-Quorum und ersetzt es durch ein konkretisiertes öffentliches Interesse. Das AEntG wurde für alle Branchen geöffnet und somit entgegen seiner Bezeichnung zu einem allgemeinen Branchenmindestlohngesetz umgestaltet. Die Branchenmindestlöhne nach dem AEntG gehen dem gesetzlichen Mindestlohn vor, allerdings nur, wenn sie für die Arbeitnehmer günstiger sind.