In Zeiten von Streiks bei Bahn und Lufthansa hat der am 11.12.2014 vom Kabinett verabschiedete Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) (BR-Drucks. 635/14) besondere Aufmerksamkeit erfahren. Mit dem Gesetz soll der Grundsatz der Tarifeinheit, der vom BAG 2010 aufgegeben worden war (BAGE 135, 80 = NZA 2010, 1068), in neuer Form gesetzlich festgeschrieben und dadurch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gesichert werden. Das Gesetz soll nur Anwendung finden, wenn zwei Gewerkschaften in ein- und demselben Betrieb dieselben Arbeitnehmergruppen vertreten und für diese unterschiedliche tarifliche Regelungen treffen wollen. So entstehende Tarifkollisionen sollen nach dem vorgeschlagenen § 4a TVG mithilfe des betriebsbezogenen Mehrheitsprinzips aufgelöst werden; vorgesehen ist, dass in dem Umfang, in dem sich in einem Betrieb die Tarifverträge überschneiden, nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft Anwendung findet, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. Als flankierende Verfahrensregelungen zum Schutz der Rechte von Minderheitsgewerkschaften sieht der Entwurf ein vorgelagertes Anhörungsrecht gegenüber der verhandelnden Arbeitgeberseite sowie ein nachgelagertes Nachzeichnungsrecht vor. Eine Änderung des ArbGG soll die Arbeitsgerichte ermächtigen, über den im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags im Beschlussverfahren mit bindender Wirkung für Dritte zu entscheiden. Der Entwurf verzichtet zwar auf eine explizite Einschränkung des Streikrechts; allerdings soll nach der amtlichen Begründung über die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen, mit denen ein kollidierender Tarifvertrag erwirkt werden soll, im Einzelfall im Sinne des Prinzips der Tarifeinheit zu entscheiden sein. Ein Streik diene nicht der Sicherung der Tarifautonomie, soweit dem Tarifvertrag, der mit ihm erkämpft werden soll, eine ordnende Funktion offensichtlich nicht mehr zukommen kann. Absehbar ist, dass das Tarifeinheitsgesetz im Falle seiner Verabschiedung zeitnah beim BVerfG landet. Experten bejahen wegen der faktischen Begrenzung des Streikrechts einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG, weil die Koalitionsfreiheit auf Gewerkschaftspluralität und damit auch auf Tarifpluralität angelegt sei. Der Bundesrat hat dagegen auf seiner Sitzung vom 6.2.2015 keine Einwendungen gegen den vorgelegten Gesetzentwurf erhoben.