1. Urkundsverfahren
Bekanntlich war es lange höchst strittig, ob mietrechtliche Ansprüche im Urkundsverfahren geltend gemacht werden können. Der BGH hat sich in der Vergangenheit langsam an die verschiedenen Fallgestaltungen herangetastet. Zunächst hatte der für die Gewerberaummiete zuständige XII. Senat das Urkundsverfahren grundsätzlich für zulässig erachtet (BGH NJW 1999, 1408). Dem hat sich später der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Senat (BGH WuM 2005, 526 = GE 2005, 986 = DWW 2005, 285 = NJW 2005, 2701 = NZM 2005, 661 = ZMR 2005, 773 = MDR 2005, 1399 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 1 m. Anm. Börstinghaus) angeschlossen. Damals war noch offengeblieben, ob das Urkundsverfahren auch dann zulässig ist, wenn der Mieter sich wegen eines Mangels auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft. Für Mängel, die erst nach Übergabe entstanden waren, hat der VIII. Senat die Zulässigkeit in seiner zweiten Entscheidung (BGH WuM 2007, 82 = NZM 2007, 161 = MM 2007, 109 = NJW 2007, 1061 = DWW 2007, 265 = GE 2007, 585 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 2 m. Anm. Börstinghaus) bejaht. Konsequenterweise ging es im dritten Verfahren (BGH GE 2009, 1139 = NJW 2009, 3099 = WuM 2009, 591 = NZM 2009, 734 = ZMR 2010,19 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 3 m. Anm. Börstinghaus) um einen anfänglichen Mangel. Auch hier ist nach Ansicht des VIII. Zivilsenats die Urkundsklage zulässig, wenn der Mieter die Mietsache vorbehaltlos angenommen hat. Dies muss der Vermieter aber durch eine Urkunde, z.B. durch ein Wohnungsübergabeprotokoll, darlegen. Hat der Mieter aber bereits bei Übergabe der Mietsache einen Vorbehalt zu Protokoll erklärt, scheidet eine Urkundsklage aus (BGH GE 2013, 1137 = GuT 2013, 124 = NZM 2013, 614 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 5 m. Anm. Börstinghaus). Soweit Mängel aber unstreitig sind, sind sie auch im Urkundsverfahren zu berücksichtigen (BGH GE 2013, 1582 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 6 m. Anm. Börstinghaus).
Jetzt ist der Senat noch einen Schritt weitergegangen und hat auch eine Klage auf Betriebskostennachzahlungen im Urkundenprozess für zulässig erachtet (BGH WuM 2014, 744 = GE 2014, 1649 = NZM 2015, 44 = MietPrax-AK § 592 ZPO Nr. 7 mit Anm. Börstinghaus; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 24/2014 Anm. 1; Lehmann-Richter MietRB 2015, 2; Kinne GE 2014, 1619; Bieber jurisPR-MietR 1/2015 Anm. 5). Die Geltendmachung einer Betriebskostennachforderung im Urkundenprozess sei statthaft, sofern der Vermieter die anspruchsbegründenden und beweisbedürftigen Tatsachen durch Urkunden belegen kann: Weder die materiell-rechtlichen noch die prozessualen Vorschriften enthalten Einschränkungen. Im Übrigen setzt die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht voraus, dass auch für gänzlich unstreitige Tatbestandsvoraussetzungen eine Urkunde vorgelegt werden muss. Im konkreten Fall hatte der Vermieter seinen Anspruch ausreichend durch Urkunden belegt. Er hat den Mietvertrag, aus dem sich die Abwälzung der Kosten auf den Mieter ergab sowie die Betriebskostenabrechnung mit einem Zugangsnachweis vorgelegt. Der Vorlage weiterer Urkunden bedarf es nicht. Der Vermieter hat nämlich die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung erst auf wirksames Bestreiten durch den Mieter zu beweisen.
Soweit der Mieter hier die angesetzten Flächen in der Abrechnung pauschal bestritten hatte, hat der Senat dies als unerhebliches Bestreiten mit Nichtwissen gewertet. Dem Mieter sei es möglich, die Wohnfläche der gemieteten Wohnung zu ermitteln und seinerseits eine konkrete Fläche vorzutragen. Auf die Verwendung der richtigen Berechnungsvorschrift komme es dabei nicht an.
Hinweis:
Da es verschiedene Regelwerke zur Ermittlung der Wohnfläche gibt (DIN 283, II. BV, WohnflächenVO, u.a.), muss im Einzelfall immer ermittelt werden, welche Berechnungsvorschriften hier gelten. Der BGH hat hierzu eine Stufentheorie entwickelt:
- Maßgeblich sind zunächst ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen der Vertragsparteien über das anzuwendende Regelwerk.
- Wenn hierzu keine Feststellungen getroffen werden können, ist eine eventuelle Ortssitte maßgeblich.
- Erst wenn auch diese nicht ermittelt werden kann, ist auch im preisfreien Wohnungsbau die Fläche nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften für den preisgebundenen Wohnungsbau (II. BV oder WohnflächenVO) zu ermitteln.
2. Beschwer im Räumungsverfahren
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des VIII. Senats, dass sich die Beschwer eines Räumungsurteils nach §§ 8, 9 ZPO bemisst. Maßgeblich ist somit die 3,5fache Jahres-Netto-Miete. Nur wenn feststeht, dass das Mietverhältnis eher endet, ist ggf. ein kürzerer Zeitraum maßgeblich. Nach dem immer wieder verlängerten § 26 Nr. 8 EGZPO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH nur ab einer Beschwer von 20.000 EUR zulässig, das bedeutet in Räumungsprozessen ab einer Grundmiete von 476,20 EUR. Diese Beschränkung ist auch verfassungsgemäß (BGH WuM 2014, 754 = MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 18 mit Anm. Börstinghaus).
3. Einstellung der Zwangsvollstreckung
Der XII. Senat (BGH NJW-RR 2014, 969 = NZM 2014, 707 = GE 2014, 1333 = MDR 2014, 926; dazu Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 16/2014 ...