Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz schlägt die Schaffung eines präventiven Rechtsbehelfes bei überlangen Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen vor. Mit einem Diskussionsentwurf, der auch der Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dient (Urt. v. 15.1.2015 – Beschwerde-Nr. 62198/11) verfolgt das Ministerium das Ziel, in bestimmten Kindschaftssachen, insbesondere in Umgangsfällen, die Verzögerungsrüge, die bisher grundsätzlich nur kompensatorische Wirkungen zeitigen kann, zu einem präventiven Rechtsbehelf im Sinne einer Untätigkeitsbeschwerde fortzuentwickeln.
Der – als solcher in dem Diskussionsentwurf nicht ausdrücklich bezeichnete – Grund für diese Sonderregelung ist, dass "das Verstreichen von Zeit irreversible Folgen für die Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht mit ihm zusammen lebenden Elternteil haben kann" bzw. dass der EGMR nicht davon überzeugt war, "die Möglichkeit, einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, habe eine hinreichende beschleunigende Wirkung auf laufende Verfahren, bei denen es um das Recht auf Umgang mit kleinen Kindern geht, und, sofern dies notwendig ist, um eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens zu verhindern", (vgl. EGMR, a.a.O., Rn 102 und 140).
Aus diesem Grund soll den Beteiligten in einer Kindschaftssache i.S.d. § 155 Abs. 1 FamFG durch Einfügung der neuen §§ 155b und 155c in das FamFG die Möglichkeit eröffnet werden, eine präventiv wirkende Verzögerungsrüge zu erheben, über die das Gericht innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Gegen diesen Beschluss sowie dann, wenn das Ausgangsgericht nicht innerhalb eines Monats über die Verzögerungsbeschwerde entschieden hat, ist den Beteiligten die Möglichkeit der Beschwerde eröffnet, die unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen ist. Die kompensatorischen Wirkungen einer Verzögerungsrüge nach § 198 GVG sollen davon unberührt bleiben. Außerdem sollen die neu in das FamG eingeführten Regelungen der §§ 155b und 155c nach § 88 Abs. 3 FamFG-E auch für das Vollstreckungsverfahren gelten.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat den Vorschlag in ihrer Stellungnahme begrüßt. Sie hat bereits früher dafür plädiert, dass grundsätzlich der Rechtsschutz gegen überlange Verfahren auch präventiv ausgestaltet wird. Sie schlägt daher – weitergehend – ein "Kombinationsmodell" von präventivem und kompensatorischem Rechtsschutz vor, das nicht nur bereichsspezifisch in Kindschaftssachen, sondern generell in Fällen drohender irreversibler Folgen des Zeitablaufs für die Rechte einzelner zumindest in allen Familiensachen gem. § 111 FamFG Anwendung finden soll.
[Quelle: BRAK]